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Hannah Brencher, Foto: Taylor Zorzi / Zorzi Creative

Hunderttausende handgeschriebene Mutmacher: Das ist die Geschichte hinter dem Brief-Wunder

Hannah Brencher zieht für ihren vermeintlichen Traumjob nach New York, aber die Einsamkeit der Großstadt erschlägt sie fast. Dann fängt sie an, Briefe zu schreiben …

Hannah wächst mit einer Mutter auf, die nicht mit dem Trend geht, wenn es um virtuelle Kommunikation geht. Ihre Mutter liebt das Briefeschreiben. Und als Hannah nach dem Studium ins große New York City zieht, ertappt sie sich oft dabei, wie sie hoffend am Briefkasten steht. Gibt es heute Post von daheim?

Sie durchlebt eine harte Zeit, ist überwältigt von der Großstadt-Mentalität, wird depressiv. Als sich eines Tages in der U-Bahn eine Frau ihr gegenübersetzt, hat sie den Drang, ihren Block herauszuholen und ihr einen Brief zu schreiben. Doch als sie wieder hochblickt, ist die Frau bereits ausgestiegen. Und Hannah ist überrascht: Zum ersten Mal seit langem fühlt sie sich nicht mehr einsam und traurig. Sie beschließt, weiterhin zu schreiben, weil es ihr selbst guttut. Sie schreibt Briefe an Fremde und versteckt sie in ganz New York City: in der Umkleidekabine, in der Metro, in Cafés – und erzählt davon auf ihrem Blog.

Wer will, bekommt einen Brief

Brief für Brief beginnt sie, endlich wieder Licht zu sehen. Sie wird beschenkt mit einem Sinn fürs eigene Leben, indem sie etwas von sich hergibt. Und sie begegnet auch Gott dadurch, dass sie seine Liebe zu den Menschen zu Papier bringt. Liebe, die nichts fordert, sondern dazu da ist, verschenkt zu werden.

Als sie auf ihrem Blog anbietet, jedem, der es braucht, einen Brief zu schreiben, wird sie überraschend überhäuft mit Anfragen. In den folgenden Wochen schreibt sie 400 Briefe. Mehr, als ihr Spaß gemacht hätten. Aber sie will ihr Versprechen halten. Das soll es dann aber auch gewesen sein. Doch ihre Familie und Freunde widersprechen: Was sie da angefangen habe, sei dringend nötig!

Alle können mitmachen

Schließlich willigt sie ein und startet das Projekt More Love Letters. Jeder weltweit kann mitmachen, der daheim ein Blatt Papier und einen Stift hat. Aus vielen über die Webseite eingereichten Vorschlägen werden jeden Monat fünf bis sechs Personen ausgesucht, die einen Stapel liebevoller Briefe bekommen sollen. Ein Monat lang ist Zeit zu schreiben, freiwillige Helfer und Helferinnen sichten und sortieren die Post und schließlich bekommen die Personen ihre Päckchen voller Ermutigungen zugeschickt. Mehrere Hunderttausend Briefe sind es inzwischen, die Hannah Brenchers Engagement initiiert hat. Am Ende war es der Entschluss, nicht in der eigenen Einsamkeit zu verharren, sondern andere zu ermutigen.

Constanze Bohg ist Autorin des Buches „Viereinhalb Wochen“ (Pattloch).

Wer bei More Love Letters mitmachen will, findet hier alle Infos (auf Englisch) unter moreloveletters.com. Auf YouTube ist außerdem ein berührender TED-Talk von Hannah Brencher zu sehen.