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Veganer Burger

Tut gut und schmeckt gut: Familie lebt „in Teilzeit“ vegan

Weil die Ärztin es empfiehlt, stellt eine Familie auf vegane Ernährung um. Erst zeitweise, seitdem aber regelmäßig. Der Grund: Es tut gut und schmeckt gut.

Von Katharina Waffenschmidt

Ich lebe in Berlin und vegan zu sein, ist hier nicht ungewöhnlich. So gut wie jedes Café bietet veganes Gebäck und die Milch zum Kaffee in allen Alternativen an. Es gibt vegane Restaurants und ganze Abteilungen in Supermärkten, die sich auf vegane Kundschaft spezialisieren. Auch ich kaufe hier manches ein, esse aber ebenso Milch und Joghurt zum Müsli, verzichte nicht gerne auf Butter, Käse und zwischendurch Fleisch. Aber Neues auszuprobieren, macht Spaß und schmeckt mir meist auch.

„Sie steigen auf vegane Ernährung um!“

So habe ich es mit dem Essen bisher gehandhabt. Bis zu dem Tag, als ich mit meinem an Corona erkrankten Mann bei der bereits fünften Ärztin saß, in der Hoffnung, endlich eine Behandlung der Symptome zu finden. Die Ärztin machte ein großes Blutbild, um sich an eine gezielte Behandlung heranzutasten, und verabschiedete uns mit dem Satz: „Als Allererstes steigen Sie sofort auf vegane Ernährung um, um die Entzündungswerte zu senken!“

Aha – mit veganer Ernährung senkt man also Entzündungswerte im Körper? Mit dieser neuen Erkenntnis machte ich mich auf die Suche nach Rezepten, die nahrhaft, aber auch schmackhaft sein sollten. Das waren meine Hauptkriterien. Es soll schmecken, damit wir als Familie mitmachen können, statt doppelt zu kochen. Und es soll praktikabel sein, damit wir über mehrere Wochen durchhalten – genau genommen waren es zwei Monate.

Vier Erkenntnisse

Nach dieser Erfahrung kann ich sagen:

  1. Mein Mann wurde wieder gesund. Natürlich nicht nur durch die Ernährung, aber sie war ein wichtiger Baustein im Prozess.
  2. Nicht alles schmeckt uns und es brauchte etwas Zeit, um das herauszufinden. Wir haben viele Varianten an Ersatzprodukten ausprobiert und festgestellt, dass wir vegane Brotaufstriche lieben. Käse-, Wurst- und Fleischersatz, der dem Geschmack des Originals nachempfunden ist, jedoch weniger.
  3. Daraus folgt, dass wir bei veganer Ernährung mehr Gemüse und Obst essen. Wenn nämlich die Ersatzprodukte für gewohnte Zutaten wegfallen, müssen wir beim Kochen kreativer werden. Das führt insgesamt zu mehr Versionen von Gemüse.
  4. Wir essen gerne Süßes. Da es sehr gute vegane Varianten gibt, fühlt sich die Umstellung nicht nach Spaßverderber an. Was nicht nur Kindern wichtig ist …

Seither haben wir begonnen, jedes Jahr einen veganen Monat zu halten. Einfach so, weil es dem Körper eine Art Reset ermöglicht und nebenbei für mehr Achtsamkeit beim Essen sorgt. Denn jede Umstellung bedeutet eine Irritation in den Abläufen und Gewohnheiten des Lebens. Das hilft, diese regelmäßig zu überdenken und gegebenenfalls zu verändern.

Nach dem Monat stelle ich außerdem schöne Nebeneffekte fest, an die ich vorher gar nicht gedacht hatte: Die Haut wird klarer, ich fühle mich leichter und merke, wie ich nach den veganen Wochen fast automatisch auch weiterhin mehr Gemüsegerichte koche. Nicht weil ich muss, sondern weil es gut schmeckt und ich mir die Gerichte in dieser Zeit wieder angewöhnt habe. So kann auch mit kleinen Schritten einiges entspannt in den Alltag einfließen, das den Lebensstil nachhaltig positiv verändert.

Katharina Waffenschmidt hat sich im Präsidium von IJM Deutschland gegen moderne Sklaverei engagiert und arbeitet selbständig als Künstleragentin und Trauerbegleiterin für Sternenmütter.

Larissa McMahon; Foto: Privat

Nachhaltigkeit: JA – Perfektionismus: NEIN! Warum es sich lohnt, dennoch damit anzufangen

Influencerin Larissa McMahon hat sich entschieden, nachhaltig zu leben. Sie berichtet von dem Leistungsdruck und warum sie sich entschieden hat, nicht perfekt sein zu müssen.

Ich bin seit über 14 Jahren auf Social Media aktiv. Ich habe jede Plattform ausprobiert: Facebook, YouTube, Podcast, Blog und Instagram. In den letzten Jahren habe ich mich verstärkt auf Instagram konzentriert und bin nun seit einigen Monaten als Influencerin selbstständig.

Dabei haben sich meine Inhalte immer mit mir verändert. Angefangen hat alles mit Mode und Kosmetik. Heute dreht es sich um Minimalismus, Achtsamkeit und Nachhaltigkeit. Ich habe also eine große Veränderung durchgemacht. Dabei war es mir immer wichtig, meine Followerinnen und Follower mit an die Hand zu nehmen. Vor allem als ich feststellte, wie viel das Thema Nachhaltigkeit auch mit meinem christlichen Glauben zu tun hat, brannte mir das Thema noch mehr auf dem Herzen.

So nachhaltig wie möglich

Meine Inhalte zeigen also konkret, was ich in meinem Leben verändere. Dass ich Naturkosmetik benutze, im Unverpacktladen einkaufe, meine Kleidung auf 33 Teile beschränke oder hauptsächlich vegan koche. Ich rufe dazu auf, das eigene Denken und Handeln zu hinterfragen. Ich setze mich für Naturschutz ein und erkläre, warum es wichtig ist, achtsam und bewusst zu leben. Das mache ich nun schon einige Jahre. Am Anfang meiner Reise in ein nachhaltiges Leben hat mir das viel Spaß gemacht. Denn ich habe selbst alles ausprobieren müssen und meine Alternativen gesucht. Heute bin ich, was das Thema Nachhaltigkeit angeht, schon sehr weit und habe vieles verändert.

Aber da ist ja noch das Internet, die Öffentlichkeit. Meine Inhalte sind für jeden zugänglich. Das heißt: Ich setze mich jeden Tag mit der Meinung fremder Menschen auseinander. Mein Postfach ist wie eine Wundertüte: Ich weiß nie, was ich bekomme. Nachrichten und Kommentare lassen mich nicht unberührt. Außerdem sehe ich mich selbst in großer Verantwortung, was meine Inhalte angeht. Ich halte nicht alles in die Kamera. Es muss so nachhaltig wie möglich sein.

Perfekt sein müssen

Dieser Gedanke hat sich irgendwann in meinem Kopf festgesetzt. Es muss so nachhaltig wie möglich sein. Ich habe bestimmte Dinge irgendwann nicht mehr gezeigt. Ich habe immer nur meine Seite des Frühstückstisches fotografiert. Die Seite, auf der keine Eier oder Schinken stehen. Ich habe nicht den Wocheneinkauf von Aldi gezeigt, oder dass ich dieses Jahr drei Teile bei H&M bestellt habe, obwohl ich mich aktiv für faire Mode ausspreche. Ich habe mich dafür geschämt und mich schlichtweg nicht getraut. Der Druck, den ich verspürt habe, war unfassbar groß. Dabei war es nicht nur Druck von außen, sondern auch Druck von innen. Ich hatte das Gefühl, perfekt sein zu müssen, um keinen Raum für Konfrontation zu bieten. Denn die habe ich schon bei so vielen anderen gesehen.

Greta Thunberg zum Beispiel bekam einen Shitstorm ab, weil ihr Toastbrot in Plastik verpackt war. Ich habe mal sehr lange mit einer Followerin diskutiert, weil ich Tomaten esse. Ich hatte eine unverpackte Bio-Tomate auf meinem Teller. Aber die Followerin warf mir vor, für meine Tomaten würden Sklaven arbeiten. Ich fragte sie damals, ob sie selbst denn komplett auf Tomaten verzichten würde. Ihre Antwort: Nein. Hinzukommt: Während ich mich damit befassen muss, dass meine unverpackte Bio-Tomate nicht nachhaltig genug ist, werden in anderen Ecken des Internets Influencer für Videos gefeiert, in denen sie zeigen, dass sie für zweitausend Euro Kleidung bei dem Super-Fast-Fashion-Konzern Shein gekauft haben. Andere werden dafür bewundert, dass sie mehrmals im Jahr nach Dubai fliegen, während ich mich dafür rechtfertigen muss, warum ich in meinem ausgebauten Van durch die Gegend fahre, um fliegen zu vermeiden. Es fällt mir sehr schwer, das zu verstehen.

Druck rausnehmen – Schubladendenken überwinden

An Menschen, die sich mit Nachhaltigkeit beschäftigen, werden Absolutheitsansprüche gestellt, die niemand erfüllen kann. Ich habe mich selbst gelabelt und in die Schublade Nachhaltigkeit gepackt. Sie wurde mir am Ende zu eng. Sie hat sich zu klein und unbequem angefühlt. Deswegen habe ich vor ein paar Wochen die Begriffe „Nachhaltigkeit“ und „Green“ aus meiner Profilbeschreibung gelöscht. Weil ich im Unverpacktladen einkaufe, für meinen Wocheneinkauf aber zu Aldi gehe. Weil mir Fair Fashion wichtig ist, ich dieses Jahr aber drei Teile bei H&M bestellt habe. Weil ich vegan bevorzuge und trotzdem manchmal vegetarisch esse. Weil ich mir selbst den Druck nehmen möchte.

Kleine Erfolge feiern

Ich möchte aus der Schublade Nachhaltigkeit raus und wieder Platz zum Atmen haben. Platz für Fehler. Platz zum Wachsen. Platz, um ich selbst zu sein. Ich möchte die kleinen Erfolge feiern, jeden Schritt Richtung Nachhaltigkeit mit einer Konfettikanone zelebrieren. Aus dem Du und Ich auf Social Media möchte ich wieder ein Wir machen. Denn wir müssen verstehen, dass jeder Mensch an einem anderen Punkt in seinem Leben steht. Dass wir unsere Ansprüche und Erwartungen nicht wie eine Blaupause auf andere übertragen können. Das ist nicht fair. Wir sollten mehr bei uns bleiben, statt auf andere zu schauen. Was können wir verändern, was macht uns Spaß, wo können wir motivieren und inspirieren? Das ist mein Plan für die Zukunft. Wieder mehr ich sein. Mit all meinen Ecken und Kanten. Mit all meinen Fragen und Zweifeln. Mit all meinen Erfolgen und Misserfolgen.

Larissa McMahon arbeitet als Social Media-Managerin, Texterin und Sinnfluencerin unter @larytales