Schlagwortarchiv für: Foodsharing

Flohmarkt in der Nachbarschaft. Symbolbild: Getty Images / SolStock

Gelebte Nachbarschaft: So profitiert jeder von der Gemeinschaft

Gute Nachbarschaft ist eine echte Chance – nicht nur für Gemeinschaft, sondern auch für mehr Nachhaltigkeit. Wie so etwas gehen kann hat Lisa-Maria Mehrkens herausgefunden.

Angefangen hatte im Hamburger Quartier Nettelnburg alles mit der Idee von vier Nachbarinnen: Unter ihren Carports wollten sie zeitgleich Flohmarktstände aufbauen. Carolin Goydke verteilte Flyer in der Nachbarschaft und richtete zur Organisation eine WhatsApp-Gruppe ein. Ein überschaubarer Aufwand. Doch sie hatten den Enthusiasmus der Nachbarn unterschätzt: „Die Resonanz war riesig, viele wollten sich beteiligen und sogar das Wochenblatt wurde informiert“, erinnert sich Carolin ans erste Mal zurück. Schon beim ersten Flohmarkt waren dann über 50 Haushalte dabei – und schnell stand fest, dass neben dem seit Jahrzehnten etablierten Laternenfest mit Umzügen und Feuerwerk im September und dem Pflanzenmarkt auf dem Kirchplatz im Frühjahr nun auch der Flohmarkt regelmäßig in der Nachbarschaft stattfinden sollte. Abgesehen von den erfolgreichen Verkäufen blieben vor allem die Gemeinschaft und der Austausch miteinander positiv im Gedächtnis.

Zudem entwickelte sich die Chatgruppe zum Nachrichtenorgan der Siedlung. Und das war eine entscheidende Wende im nachbarschaftlichen Miteinander, denn irgendeine Plattform zur Kommunikation braucht es, damit Austausch entsteht. Sei es das Schwarze Brett im Vereinslokal oder Supermarkt, sei es eine Facebook-Seite oder eben eine Chatgruppe – entscheidend ist, dass Begegnungen und Ideen in welcher Form auch immer möglich werden. Als die Gruppe bei WhatsApp nicht mehr wachsen konnte, wechselte man in Hamburg zu Signal. Hinweise auf Blitzer, entlaufene Haustiere oder Fundsachen finden hier ebenso ihren Platz wie Fragen nach Ärzten und Handwerkern – und weiterhin werden hier auch alte Schätzchen verkauft und noch öfter verschenkt. Die kurzen Wege in der Nachbarschaft ermöglichen es, sich manches gute Stück auch erst einmal nur anzuschauen. Und nicht selten stehen in oder vor den Carports nun Zu-verschenken-Kisten.

ESSBARE FREUDE TEILEN

Eine Sonderform des Verschenkens ist das immer beliebter werdende Foodsharing, eine bundesweite Initiative gegen Lebensmittelverschwendung mit über 2.500 involvierten Betrieben. Können diese ihre noch genießbaren Lebensmittel nicht mehr alle verwerten und Institutionen wie die Tafeln haben keinen Bedarf, holen sogenannte „Foodsaver“ die Lebensmittel zu vorgegebenen Zeiten ab und verteilen sie – oft in der Nachbarschaft – weiter, bevor sie im Müll landen. Häufig werden auch sogenannte „Fairteiler“ eingerichtet: öffentlich zugängliche Schränke, zu denen jeder seine nicht mehr benötigten Lebensmittel bringen oder sich kostenlos etwas mitnehmen darf.

Paul ist Foodsaver in Chemnitz. Für ihn gehört das Teilen von Lebensmitteln und anderen Dingen als Ausdruck von Nächstenliebe zu einer guten Nachbarschaft dazu: „Eine ideale Gesellschaft handelt in meinen Augen sozial und ganz im Sinne von Foodsharing sollte Teilen eine Selbstverständlichkeit sein. Dabei denkt man nicht an sich, sondern an andere“, sagt Paul. Wer Lebensmittel in der eigenen Nachbarschaft weitergibt, reduziert nicht nur den CO2-Ausstoß, da weniger Lebensmittel, in die Energie und Ressourcen geflossen sind, weggeschmissen werden, sondern fördert oft auch Beziehungen und Begegnungen zwischen Menschen.

Ganz oft ist das der schöne Nebeneffekt von nachbarschaftlichem Engagement: Wer sich auf einer Ebene schon mal gesprochen hat, findet beim nächsten Mal noch schneller den Anknüpfungspunkt, um gemeinschaftlich zu handeln. Denn Vertrauen ist der Kitt, der uns in Gruppen zusammenhält.

Und Vertrauen ist auch nötig, wenn es darum geht, Dinge zu verleihen. Haushaltsgeräte, Werkzeug oder Party-Deko werden oft nur gelegentlich genutzt und sie auszuborgen statt zu kaufen, spart ebenso Geld wie Ressourcen. Im Leihladen KarLeiLa in Chemnitz hat man diesen Gedanken professionalisiert. Wer mitmachen will, zahlt eine monatliche Nutzungsgebühr von 36 Euro – und bringt selbst auch einen eigenen Gegenstand in den gemeinsamen Leihpool ein. „Damit wird das Verleihen eher zum Teilen, weg von der Dienstleistung hin zum solidarischen Handeln. Denn es geht um die gemeinschaftliche und sinnvolle Nutzung von Ressourcen“, erklärt die ehrenamtliche Mitarbeiterin Cindy Paukert. Bewusst hätten sie sich hier für einen Standort in einem chaotischen, bunten, diversen und sich dynamisch wandelnden Stadtteil mit allen Sozialschichten entschieden, da der Verleihladen etwas für alle Bevölkerungsgruppen sein soll. Die Teammitglieder des Ladens hätten teilweise selbst auf Reisen schon häufig unter einfachen Bedingungen gelebt und seien auf andere angewiesen gewesen. Gerade dieses Miteinander schätzt Cindy Paukert: „Ich finde, dass das Leben schöner ist, wenn man etwas zusammen tut, sich unterstützt, Dinge miteinander teilt, egal ob Gegenstand oder Not.“ Für sie hat der Leihladen auch etwas mit Gemeinschaft und Eigenverantwortung zu tun: „Wir wollen, dass Menschen den Laden mitgestalten und sind da sehr offen für Ideen. Und wir fördern auch die Verantwortung für den anderen und dafür, was er braucht. Wir wollen einen Begegnungsort, an dem man miteinander redet“, sagt sie. Gern sähe sie noch viel mehr von Anwohnern selbst verwaltete Verleih-Läden – am liebsten gleich mit Reparaturcafés, die Geräten eine längere Nutzungsdauer verschaffen.

REPARATUR MIT PLAUSCH

Die Idee der Reparaturcafés geht auf die Niederländerin Martine Postma zurück. Ihr Konzept hat sich seit 2010 weltweit etabliert. Sie sei es leid gewesen, dass so viele Produkte, die eigentlich nur etwas Pflege und Reparatur bedürfen, einfach weggeworfen und durch neue ersetzt werden, weil es einfacher und schneller sei. „Ich wollte Reparaturen wieder in unseren Alltag bringen“, beschreibt sie ihre Idee. Dafür musste Reparieren billiger und attraktiver als ein Neukauf werden. „So kam ich auf die Idee eines Reparaturcafés: aus Reparieren ein Event machen, einen tollen Ort, an dem Ehrenamtliche dir gegen eine freiwillige Spende deine kaputten Sachen reparieren oder dich selbst dazu anleiten, wo du einen netten Plausch mit deinem Nachbarn oder eine Tasse Kaffee genießen kannst.“ Wer ein solches Reparaturcafé ins Leben rufen will, findet mittlerweile in einem Starter Kit in fünf verschiedenen Sprachen Anregungen zum Loslegen.

Für Martine Postma sind Reparaturfähigkeiten auch für eine gute Nachbarschaft hilfreich: „Sie helfen, miteinander Probleme zu lösen. Eine ideale Nachbarschaft ist eine resiliente Nachbarschaft, die Reparaturkünste und die Menschen, die diese haben, gleichermaßen schätzt“, sagt sie. Gleichzeitig würden Reparaturcafés Nächstenliebe fördern. „Dort kann man Hilfe von einem Freiwilligen bekommen, den man auf der Straße nie wahrgenommen hat. Dadurch sieht man diese Person in einem neuen Licht, nämlich als wertvollen Menschen mit wertvollem Wissen. Das nächste Mal, wenn man ihn oder sie auf der Straße trifft, sagt man Hallo und fragt, wie es ihm oder ihr geht.“

ONLINE VERNETZEN

Mittlerweile gibt es im Internet zahlreiche Foren, die verschiedene Aspekte einer sozialen Nachbarschaft miteinander verbinden. Die wohl größte und bekannteste Plattform ist nebenan.de. „Wir bringen Menschen zusammen, die in der gleichen Nachbarschaft leben und sich trotzdem oft gar nicht kennen“, erzählt Ina Remmers, eine der Mitgründerinnen. „Die Plattform ist ein Werkzeug, um Einsamkeit und Anonymität abzubauen und die lokale Gemeinschaft zu stärken.“ Über sie können Menschen sich für gemeinsame Unternehmungen verabreden, Initiative für ihr Viertel ergreifen oder sich gegenseitig Tipps und Hilfe geben. „In einer idealen Nachbarschaft treffen sich ganz unterschiedliche Menschen. Durch kleine Alltagsbegegnungen und gegenseitige Hilfe werden Vorurteile abgebaut und das Vertrauen ineinander gestärkt, was sich positiv auf das Gefühl auswirkt, sich in der eigenen Nachbarschaft zu Hause zu fühlen“, sagt Ina und hat in ihrer Arbeit schon zahllose Erfahrungen gehört, wo genau das gelungen ist. „Eine meiner Lieblingsgeschichten ist die von Ulla und Edgar aus Koblenz“, erzählt sie „Im Rahmen unserer jährlichen Aktion ‚Weihnachten nebenan‘ hat Ulla ihre Nachbarinnen und Nachbarn über nebenan.de zum gemeinsamen Weihnachtsessen eingeladen. Mit am Tisch saß Edgar, 75 Jahre alt und verwitwet: Dies wäre sein drittes Weihnachten alleine in Folge gewesen – wäre da nicht Ullas Einladung gekommen.“

Ob solche schönen Geschichten geschehen und wie wohl wir uns in unserer Nachbarschaft fühlen, haben wir nicht immer vollkommen in der Hand. Aber wir können es mitbeeinflussen, indem wir auf Menschen zugehen, um Hilfe bitten, Unterstützung anbieten und danach fragen, was im eigenen Viertel gebraucht wird.

Gerade in einer unübersichtlichen Weltlage wie heute gewinnt das Lokale wieder stärker an Bedeutung: Wenn die Welt bedrohlich wirkt, ist es beruhigend, wenn das direkte Umfeld vertraut und wohlgesonnen ist. Eine gute Nachbarschaft sei als soziale Säule der Gesellschaft vor allem in Krisenzeiten wichtig, findet auch Ina Remmers: „Sei es die Restaurantbesitzerin um die Ecke, die uns mit Vornamen begrüßt, der Nachbar, der den Ersatzschlüssel der Wohnung hütet, oder die Nachbarschaftsgruppe, mit der wir gemeinsam den Stadtgarten pflegen – Nachbarschaften können in einer immer undurchsichtigeren und sich schnell verändernden Welt das Gefühl von Zugehörigkeit geben.“

GESELLSCHAFT IM KLEINEN

Es scheint, als sei die Sehnsucht nach Gemeinschaft und Verbindung zu anderen in unserer von Individualität geprägten Gesellschaft heute größer denn je. Cindy Paukert vom Verleihladen sagt, sie beobachte, dass mit zunehmender finanzieller Unabhängigkeit auch die Einsamkeit von Menschen steige. Für sie herrscht in einer idealen Nachbarschaft die perfekte Mischung aus Individualität und Kollektivität: „Eine gute Nachbarschaft ist ein Ort, der Bedürfnisse eines Individuums erfüllt, aber ihm trotzdem Raum lässt. Man schaut auch hin, was uns als Gemeinschaft guttut und was wir tun können, um das Leben zusammen schöner zu machen. Man sollte sich menschlich begegnen und unterstützen, wo es möglich ist“, meint sie. Martine Postma glaubt, dass das eigene Wohnumfeld und das große Ganze sich beeinflussen: „Nachbarschaften sind unsere Gesellschaft im Kleinen. Wenn die Nachbarschaften nicht gut funktionieren, funktioniert auch die Gesellschaft als Ganzes nicht gut“, glaubt sie. Umgekehrt sei eine Nachbarschaft, in der man sich sicher und geschätzt fühlt ein Ort, an dem man etwas Gutes beitragen möchte: „Starke Gemeinschaften sind meiner Meinung nach entscheidend für eine nachhaltige Zukunft.“

Lisa-Maria Mehrkens ist Psychologin und freie Journalistin.

Thomas und Mirjam Junginger, Foto: Privat

Nachhaltigkeit: Dieses Paar betreibt eine Foodsharing-Station im Keller

In ihrem NachhaltigkeitsNetzwerk wollen Mirjam und Thomas Junginger nicht nur Lebensmittel teilen, sondern auch Ideen und Know-How. 350 Kilogramm an Essen geben sie jede Woche ab.

Angefangen hat alles mit einer kleinen Frage im Bioladen: „Habt ihr Salat, der sich nicht mehr verkaufen lässt?“ Mirjam und Thomas Junginger suchten ihn ursprünglich als Futter für ihre Kaninchen und Hühner. Zum Salat bekamen sie nach und nach Heidelbeeren, Spargel und anderes, das sich nicht mehr verkaufen ließ. Einige Gespräche und Anfragen später stand die Familie mit Bergen von Obst und Gemüse da.

Foodsharing-Station im Keller

Zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel wandern jedes Jahr in Deutschlands Mülltonnen. Laut einer Studie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft stammen davon mehr als die Hälfte aus unseren privaten Haushalten. Aber auch im Handel wird eine halbe Million Tonnen vernichtet: Lebensmittel, die noch genießbar wären, sich aber nicht mehr verkaufen lassen – wie Gemüse und Obst mit Druckstellen, verpackte Lebensmittel mit ablaufendem Mindesthaltbarkeitsdatum oder scheinbaren Mängeln.

Solche Lebensmittel landen nun bei Thomas und Mirjam in einem kleinen Dorf in der Nähe von Stuttgart, in dem ich sie für ein Gespräch besuche. Als sie privat so viele Lebensmittel erhielten, dass sie mit dem Verarbeiten nicht mehr hinterherkamen, stolperten sie über die Internetplattform Foodsharing.de, über die mittlerweile 200.000 registrierte Ehrenamtliche noch genießbare Lebensmittel retten und verteilen. Jungingers fanden: Das ist die Lösung! 2016 schlossen sie sich der Foodsharing-Community an und aus ihrem kleinen Kellerraum wurde ein sogenannter Fairteiler. In diese Stationen können gerettete Lebensmittel gebracht und von allen kostenlos mitgenommen werden.

350 Kilogramm Essen pro Woche

Mittlerweile ist aus ihrem Fairteiler der „NetzwerkLaden“ geworden. Rund 350 Kilogramm Lebensmittel geben sie von dort pro Woche weiter. Dahinter steht zudem ein Netzwerk, das noch mehr will als Lebensmittel retten: „Wir wollen Menschen verbinden“, erzählt Thomas. „Nachhaltigkeit ist uns wichtig, aber es geht uns auch darum, mit dem Laden einen Raum zu schaffen, in dem Menschen sich begegnen können.“ Und auch ihr Glaube an Gott ist ihnen wichtig. So wichtig, dass sie letztendlich nicht mehr zur religions- und werteneutralen Foodsharing-Plattform passten. Hinter dem Konzept stehen sie nach wie vor, doch sie möchten auch über den Glauben ins Gespräch kommen. „Wir sind Christen, das ist unsere Motivation und das möchten wir auch kommunizieren“, sagt Mirjam.

Wer Teil der Gruppe ist, packt mit an

Neben dem Laden starten sie immer wieder verschiedene Aktionen, die die Menschen miteinander verbinden und auf das Thema Nachhaltigkeit aufmerksam machen. Es gibt Arbeits- und Ideengruppen, aber normalerweise auch ein monatliches Feierabendgrillen und Flohmärkte im April und Juni.

Das alles bedeutet eine Menge Arbeit: Lebensmittel müssen abgeholt, verarbeitet und sortiert, der Laden muss sauber gehalten werden. Deshalb gilt der Grundsatz: Alle helfen mit! Wer fester Teil des Netzwerkes ist und regelmäßig über Lebensmittellieferungen informiert werden will, ist auch Teil einer Arbeitsgruppe, die beispielsweise den Transport der Lebensmittel oder das Putzen übernimmt. „Manchmal sitzen wir auch zusammen und sortieren körbeweise Erdbeeren oder verarbeiten gerettete Lebensmittel“, erzählt Thomas. Arbeiten und Gemeinschaft, beides gehört hier zusammen.

Nachhaltigkeit heißt Wertschätzung

Nachhaltig leben kostet viel Zeit und bedeutet einen Mehraufwand, da sind sich Mirjam und Thomas einig – aber auch darin, dass es sich lohnt: „Nachhaltigkeit hat ganz viel mit dem Thema Wertschätzung zu tun“, meint Thomas. „Wir haben kein Verhältnis mehr zum Aufwand, der hinter den Dingen steckt.“ Es gehe darum, hinzuschauen und den Preis zu sehen, den andere Menschen und die Umwelt für unseren Konsum zahlen. Wir wollen heute alle Produkte möglichst billig und dauerhaft verfügbar haben. „Wenn man das wahrgenommen hat, kann man schrittweise nach einer Alternative suchen, die den Menschen und den Schöpfer in seiner Arbeit wertschätzt und damit auch ehrt“, sagt Thomas. Lebensmittel nicht einfach wegzuwerfen, sondern so gut es geht weiterzuverwenden, ist für ihn einer dieser praktischen Schritte.

Das Paar stößt an Grenzen

Eine besondere Idee waren ihre Monats-Challenges, die sie in einem Jahr angeboten haben. Was sie als kleine Familienaktion begonnen hatten, sprang aufs Netzwerk über: kleine Anregungen, von denen man sich jeweils einen Monat lang herausfordern lassen kann, nachhaltiger zu leben.

Dass Mirjam und Thomas dabei auch schnell an ihre Grenzen stoßen, geben sie gerne zu. Gerade auf Plastik und Verpackungsmüll zu verzichten, ist mit geretteten Lebensmitteln schwer. Aber das nehmen sie gelassen: „Wenn nur Nachhaltigkeit unser Ding, unsere Ideologie, wäre, würden wir an unseren Grenzen verzweifeln“, sagt Thomas. Immer wieder würden sie ihrem eigenen Maßstab nicht gerecht oder rutschten zurück in alte Gewohnheiten. Das kenne ich auch gut. Trotz aller vorbildlicher Vorsätze kaufe ich dann doch immer wieder mal billig und schnell ein, einfach aus Bequemlichkeit, obwohl ich weiß, dass Umwelt oder Menschen darunter leiden. Für Mirjam wird an dieser Stelle ihr Glaube lebendig: „Wir müssen uns für Rückschläge oder eigene Grenzen nicht selbst fertig machen, sondern können damit in aller Freiheit zu Gott kommen und sagen: Ich habe es nicht geschafft.“ Bei aller Motivation für den Einsatz im Alltag ist bei ihnen so auch ganz viel Platz für Gnade. Als ich am Mittag den Hof des Netzwerkladens verlasse, gehe ich voll bepackt und reich beschenkt: Gerettete Schokolade, eine Packung Feldsalat, eingemachte Ananas und selbst gebackenen Brotpudding packe ich in mein Auto. Außerdem nehme ich praktische Ideen und vor allem die Motivation mit, kleine Dinge nach und nach zu verändern.

Mirjam und Thomas vergleichen das Nachhaltigkeitsnetzwerk gerne mit einem Büfett: „Es deckt einen Tisch mit leckeren Ideen, die Lust machen auf Nachhaltigkeit, Gemeinschaft und Glaube!“ Alle packen sich auf den Teller, was sie möchten – und dann wird gemeinsam gegessen und gefeiert.

Anne Gorges ist Theologin, Schrebergärtnerin, Mama und Bloggerin (kleineweggedanken.de).