„Manchmal fällt es mir schwer, optimistisch in die Zukunft zu schauen“
Der Moderator Willi Weitzel stellt nicht nur kluge Kinderfragen, sondern ist auch neugierig. Im Interview verrät er, was ihn bewegt und was ihm Hoffnung gibt.
Manchmal hat Willi Weitzel ein schlechtes Gewissen. So wie jetzt, als ein Cappuccino mit Kuhmilch vor ihm steht: Der Kaffee ist zwar bio, aber leider war die Hafermilch alle. Dabei ist ihm Nachhaltigkeit wichtig. Für viele ist Willi Weitzel, 49, immer noch der Moderator der Fernsehsendung „Willi wills wissen“, der von 2002 bis 2009 Familien die Welt erklärte. Neugierig, fröhlich, mit großen Augen. Auf der Höhe seines Erfolgs stieg er aus der Sendung aus und begab sich auf die Suche danach, wer er jenseits seiner Sendung eigentlich ist und sein möchte. Fragen stellen, reisen, die Welt erforschen und verrückte Ideen ausprobieren – das tut Willi Weitzel immer noch, als Reporter, Moderator, in seinen Vorträgen und Filmen. Aber sein Ton ist nachdenklicher geworden.
Nachhaltigkeit ist für dich ein wichtiges Thema. Du hast drei Töchter – wie lebt ihr das Thema als Familie?
Im Vergleich zu vor zehn Jahren hat sich schon viel getan. Bei uns gibt es zu Hause zum Beispiel keinen Fisch mehr aus dem Meer. Wenn, dann aus dem Ammersee, wo wir wohnen, oder aus geschützten Beständen. Ich lebe zu 90 Prozent vegetarisch, manchmal sind es auch hundert. Ich kann allerdings nicht immer auf Fleisch verzichten. Und ich weiß auch, woran das liegt: Weil wir viel von unserem Geschmack mit der Kindheit verbinden. Deswegen ist es auch mein Ziel, meinen Kindern Dinge auf den Tisch zu bringen, über die sie vielleicht in dreißig Jahren sagen: „Ach toll, heute gibt es wieder Falafelbällchen, wie früher beim Papa!“
Das klingt gut! Wie sieht es mit Wohnen und Mobilität aus?
Wir wohnen als Familie auf dem Land und beziehen hier Naturstrom. Leider haben wir es bisher als Mieter noch nicht geschafft, eine Solaranlage aufs Dach zu bekommen. Aber wir haben seit zwei Jahren ein Elektroauto. Das nutzen wir eigentlich nur, um von Dorf zu Dorf zu kommen und für den Kindertransport. Aber inzwischen sind 25.000 Kilometer drauf und ich bin dankbar, dass diese nicht in die Luft verpufft sind. Es ist nicht die Lösung aller Lösungen, aber etwas, das ich tun kann. Insgesamt ist es nicht so leicht, in den Medien das gute Vorbild zu erklären und das dann auch im Alltag zu leben. Manchmal denke ich auch: „Hoffentlich guckt jetzt keiner rein“, wenn ich mir noch eine Scheibe Wurst abschneide.
In deinen Filmen und Reportagen geht es neben Klimawandel oft auch um schwierige Themen wie Krieg, Flucht, Ausbeutung. Wie gelingt es dir, trotzdem eine gewisse Leichtigkeit zu behalten?
Ehrlich gesagt: Persönlich gelingt mir dieser Spannungsbogen nicht immer so gut. Manchmal fällt es mir schon schwer, optimistisch in die Zukunft zu schauen. Zum Beispiel war ich für meinen Kinofilm „Willi und die Wunderkröte“ mit dem Wissenschaftler Martin Jansen vom Senckenberg-Forschungsinstitut im Süden Boliviens unterwegs. Dort habe ich wirklich ein Natur-Paradies entdeckt. Die vielen Bäume dort wurden inzwischen abgeholzt. Ein Rinderbaron wollte einfach noch mehr haben – schreckliche Realität. In solchen Momenten hilft mir
nur noch mein Optimismus. Ich wohne nicht weit vom Kloster Andechs. Der dortige Abt, Johannes Eckert, hat sein neuestes Buch über die Apokalypse geschrieben und die Quintessenz hat mich getröstet. Seiner Meinung nach ist es, wenn du Christ bist, nicht fünf nach zwölf. Es bleibt fünf vor zwölf. Daran orientiere ich mich. Weil ich ein Vorbild – auch für meine eigenen Kinder – bin, versuche ich, einfach zu machen und mich nicht zu Tode zu grübeln.
Vor 13 Jahren, mit 36, hast du dir eine Auszeit bei „Willi wills wissen“ erbeten, weil du eine Pause brauchtest. Du bist damals einfach allein über die Alpen gewandert, vier Wochen lang. Wie war das?
Es war damals unglaublich befreiend, selbstbestimmt den Takt vorzugeben und aus der Maschinerie der Sendung herauszukommen. Es war ein Weggehen und Ankommen. Mit meinem Erfolg bei „Willi wills wissen“ hatte ich auch eine gewisse Eitelkeit entwickelt. Aber allein mit dem Rucksack, im Zelt, auf Hütten – das hat mich total geerdet und mich unglaublich glücklich gemacht. Die Welt unten im Tal und die Probleme waren oben auf dem Berg so klein. Und ich war dem Himmel näher als der Realität. In dieser Situation habe ich die Entscheidung getroffen, mit „Willi wills wissen“ aufzuhören. Für diesen Entschluss bin ich bis heute dankbar – und bereue ihn zugleich.
Du bist anschließend für einige Tage in ein Benediktiner-Kloster gegangen. Was hast du dir davon erhofft?
Ich glaube, ich wollte mir nochmal diesen Himmel, den ich in den Bergen erfahren hatte, in meine Nähe holen. Im Kloster konnte ich – abseits aller Alltagseinflüsse – mein Leben neu sortieren und die Weichen neu stellen, sowohl beruflich als auch privat. Aber eigentlich ging es nur um das Gewinnen, oder vielleicht auch Zurückgewinnen einer inneren Haltung. Wer bin
ich? Was will ich? Die Frage taucht ja nicht nur in meinem Leben auf. Streben wir nicht alle nach Zufriedenheit? Antworten und Wegbeschreibungen zu echter Zufriedenheit finden wir nur in uns selbst – und nicht in Büchern oder dem Internet.
Du warst früher Messdiener und Sternsinger, kamst dann zum Theologiestudium nach München. Den christlichen Glauben hast du mal als Wurzel bezeichnet. Warum lässt er dich nicht los?
Diese Wurzeln sind unglaublich stark, das merke ich. Obwohl ich es im Moment sehr schwierig finde. Ich bin den Katholiken ja schon seit 49 Jahren treu. Seit zwanzig Jahren heißt es: „Wenn wir alle austreten würden, können wir nichts von innen heraus verändern.“ Leider ändert sich aber auch so nichts. Nun fangen die Ersten in leitenden Positionen an auszutreten und ich selbst hadere auch. Vor allem mit der katholischen Kirche aber auch mit meinem Glauben. Und trotzdem sind da diese Wurzeln, die schon früh in der Kindheit angelegt worden sind. Ich rieche den Weihrauch, höre das Te Deum – das schafft eine Gänsehaut und eine Anbindung. Die Frage ist: Werden die Wurzeln mich davon abhalten, mich weiterzuentwickeln? Oder geben sie mir vielleicht die Anbindung, die mich auch durch die gegenwärtigen Zeiten bringt? Es wird mich wahrscheinlich bis zum Lebensende so zwiespältig begleiten.
Du bist mit einem Esel 180 Kilometer von Nazareth nach Bethlehem gewandert. Wie kam es dazu?
Ich hatte in der Weihnachtszeit meiner damals fünfjährigen Tochter die Weihnachtsgeschichte vorgelesen. Auf ihre Frage, wie lange Maria und Josef dafür unterwegs gewesen waren, dachte ich, dass es doch eigentlich meine Aufgabe ist, solche Kinderfragen zu beantworten. Mein neues Projekt: zu Fuß von Nazareth nach Bethlehem, begleitet von einem Esel. Vor Ort fand ich nach zwei Tagen einen Esel, mit dem ich bis zum Westjordanland kam. Allerdings durfte er nicht mit über die Grenze, weil es auch schon bombenbeladene Esel gegeben hatte. Ich konnte mir dort einen anderen Esel kaufen, der mich bis in die Nähe von Jericho brachte. Leider ist er zwei Tagesetappen vor Bethlehem nachts abgehauen. Für das letzte Stück habe ich einen Beduinen gefunden, der mir seinen Esel zwar nicht verkaufen konnte, mich aber zwei Tage lang mit ihm begleitet hat. Nach zwölf Tagen hatte ich es endlich geschafft.
Das klingt wirklich abenteuerlich …
Was jetzt als fluffige Geschichte daherkommt, war vor allem eins: anstrengend. Ein Heidenrespekt, wenn Maria das hochschwanger gemacht haben soll! In der öden, heißen Wüste hatte ich das Gefühl nicht voranzukommen, denn alles sah gleich aus. So ging es auch meinem beduinischen Begleiter, der zehn Kilometer vor Bethlehem sagte, er kann nicht mehr, jetzt drehen wir um. Er hat nicht verstanden, warum ich bis nach Bethlehem wollte und sich geweigert. Ich sagte ihm, es sei ein heiliger Weg. Er fragte: „Like Hadj?“ (Also die berühmte Pilgerreise der Muslime). Ich sagte: „Ja!“ Er ging sofort und kommentarlos weiter bis nach Betlehem.
In welchen Momenten hast du den Glauben sonst besonders stark erlebt?
Vor einigen Jahren war ich mit meinem besten Freund in Jerusalem. Ich wusste, wenn morgens um fünf Uhr die Grabeskirche aufgeschlossen wird, ist noch niemand da. Wir standen also vor dem Grab und auf einmal guckte ein Mönch aus der Grabkammer heraus und lud uns ein, mit ihm zusammen Gottesdienst zu feiern. Das taten wir, übermüdet wie wir waren. Ich habe die Lesung gemacht und er hat uns Wein und Brot gegeben. Wir waren unglaublich bewegt und hatten danach sogar feuchte Augen, weil wir noch nie zuvor eine so intensive Glaubenserfahrung gemacht hatten.
Interview: Debora Kuder