Ist Bio wirklich besser? – Ein Faktencheck
Wie viel gesünder ist die Bio-Möhre? Schützt ökologischer Landbau das Klima? Und warum kostet Bio-Ware oft mehr? Lisa-Maria Mehrkens gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Umfragen zufolge kaufen rund drei Viertel der Deutschen Bio-Lebensmittel – mindestens hin und wieder. Als Grund dafür geben die Befragten oft den Wunsch nach einer artgerechten Tierhaltung, nach einer geringeren Belastung der Lebensmittel mit Schadstoffen und nach einem Beitrag zum Umweltschutz an. Doch erfüllen ökologisch produzierte Lebensmittel diese Wünsche?
Kreislaufprinzip
„Bio“ und „öko“ sind geschützte Begriffe, die nicht jeder auf seine Verpackung drucken darf. Auch der Hinweis „aus kontrolliert biologischem Anbau“ muss von einer unabhängigen Kontrollstelle zertifiziert werden. Bio-Bauernhöfe unterliegen strengen, gesetzlich vorgegebenen Kontrollen – etwa zu artgerechter Haltung. Ökologischer Landbau funktioniert nach dem Kreislaufprinzip: Futter wird selbst angebaut. Mit dem Mist der gehaltenen Tiere wird wiederum die Anbaufläche organisch gedüngt. So entsteht ein Nährstoffkreislauf, in den möglichst wenig von außen hinzugefügt wird. Das bedeutet auch, dass im Prinzip nur so viele Tiere auf einem Hof leben, wie durch selbst angebautes Futter ernährt werden können. Ein Zukauf von Futtermitteln ist nur für wenige Tierarten sehr begrenzt möglich.
Industriell hergestellter Stickstoffdünger ist im ökologischen Landbau verboten, stattdessen wird mit Mist gedüngt und beispielsweise Leguminosen wie Bohnen oder Klee angebaut. Sie fördern bestimmte Bakterien im Boden, die Stickstoff aus der Luft sammeln und binden, sodass er später im Acker zur Verfügung steht. Statt auf Pestizide setzen ökologische Betriebe auf andere Maßnahmen, um Schädlinge in Schach zu halten: Nützlingen wird durch Blühstreifen Lebensraum geschaffen, bestimmte Sorten werden nebeneinander gepflanzt. Kritisch sehen manche, dass zum Teil auch kupfer- und schwefelhaltige Mittel eingesetzt werden dürfen. Allerdings gelten dafür strenge Mengenbegrenzungen.
Tiere sollen in der biologischen Landwirtschaft möglichst artgerecht gehalten werden: Hühner sollen im Boden scharren und picken, Schweine im Boden wühlen und Kühe draußen Zeit mit Grasfressen verbringen dürfen. Die Größe der Auslaufflächen und Weidegang sind beispielsweise vorgeschrieben, Schweinen dürfen die Schwänze nicht kupiert werden, Hühner müssen Zugang zu geschütztem Freigelände haben. Auch in der konventionellen Landwirtschaft gibt es gesetzliche Mindeststandards für die Tierhaltung. Im Öko-Landbau aber sind sie deutlich höher.
Gesünder?
Rund zehn Prozent der Agrarflächen in Deutschland werden ökologisch bewirtschaftet. Ob ihre Ernten immer gesünder sind, darüber streitet sich die Wissenschaft. Einige Studien fanden keine klaren Hinweise dafür, andere bestätigten in frischen Bioprodukten mehr gesundheitsfördernde Nährstoffe und Vitamine. Bio-Obst und -Gemüse enthielt beispielsweise mehr Antioxidantien, die vor Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen können. Auch eine niedrigere Belastung mit möglicherweise krebserregendem Nitrat wurde nachgewiesen. Für Bio-Milch und -Fleisch konnte vor allem bei viel Auslauf und Weidefütterung der Tiere eine für den Menschen gesündere Fettsäuren-Zusammensetzung belegt werden. Vor allem aber das Risiko, schädliche Pflanzenschutzoder Düngemittel zu sich zu nehmen, ist bei Bio-Produkten deutlich minimiert bis nicht vorhanden.
Umweltfreundlicher?
Da Bio-Landwirte weder chemischsynthetischen Kunstdünger noch Pestizide einsetzen, gelangen weniger umweltschädliche Stoffe wie Stickstoff oder Nitrat in unser Grundwasser und unsere Böden. Biologisch bewirtschaftete Böden sind meist gesünder, humusreicher und können mehr Wasser speichern. Integrierte Hecken, Tümpel oder Streuobstwiesen erhöhen die Artenvielfalt auf Öko-Flächen. Die humusreicheren Bio-Böden binden mehr CO2, die bessere Wasserspeicherung lindert Auswirkungen des Klimawandels, etwa Dürren und Überschwemmungen.
Weil sie auf künstlichen Dünger verzichten, brauchen Bio-Höfe laut Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) bis zu einem Drittel weniger Energie, außerdem landen weniger Treibhausgase wie CO2 und Lachgas in der Atmosphäre.
Weidehaltung, wie sie in der Bio-Landwirtschaft häufig praktiziert wird, kann laut Studien klimafreundlicher sein als die ganzjährige Fütterung von Milchkühen mit Maissilage und Kraftfutter im Stall. Dafür gibt es mehrere Gründe: Ohne importiertes Soja als Futtermittel fallen CO2-Emissionen durch den Transport weg und Regenwaldflächen werden nicht beansprucht. Zudem stoßen Kühe weniger Methan aus, wenn sie hauptsächlich Gras fressen, wie Forschende der Christian-Albrechts-Universität in Kiel 2021 zeigten.
Was den Ausstoß von Treibhausgasen insgesamt angeht, ist allerdings umstritten, ob die biologische Landwirtschaft wirklich die Nase vorn hat. Gerechnet auf den Liter Milch oder das Kilogramm Fleisch können Emissionen stärker ins Gewicht fallen, da die Tiere im biologischen Landbau weniger Milch geben und langsamer Fleisch ansetzen.
Eine Studie des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) konnte gar keine klaren Klima-Vorteile belegen – und sah manchmal sogar Nachteile von Bio-Lebensmitteln gegenüber konventionellen Produkten im Hinblick auf den CO2-Ausstoß, da sie aufgrund der geringeren Erträge mehr Anbaufläche benötigen.
Es bleiben aber beim Öko-Anbau auf jeden Fall die Vorteile wie ein geringerer Pestizideinsatz, eine nachhaltigere Bodenbewirtschaftung und ein größerer Artenreichtum. Bio allein rettet also vielleicht nicht das Klima, schont dafür aber Grundwasser, Boden und Artenvielfalt.
Fälschungen
Angebliche Bio-Eier, die in Wirklichkeit aus Käfighaltung im Ausland stammen oder mit „Bio“ gekennzeichnete Tomaten, die dennoch gespritzt wurden: Obwohl „Bio-“ und „Öko“-Lebensmittel in der EU strengen Vorschriften und Kontrollen während der gesamten Produktionskette unterliegen, kommt es immer wieder auch zu Betrug. Prüfberichte etwa werden gefälscht oder verbotene Substanzen eingesetzt. In einem der prominentesten Fälle verkaufte ein Schweinebauer zwischen 2011 und 2013 über 8000 konventionell aufgezogene Schweine als Bioware – und gestand schließlich vor Gericht.
Um solchen Lebensmittelbetrug zu bekämpfen, werden mittlerweile Datenbanken aufgebaut, in denen der spezielle „Fingerabdruck“ aller Lebensmittel gespeichert ist – also die Zusammensetzung von Fetten, bestimmten Nährstoffen, Mineralien. Biomilch beispielsweise hat durch das Grasfutter einen höheren Anteil einer bestimmten Omega-3-Fettsäure. Ist der Wert zu niedrig, ist eine Fälschung wahrscheinlich. Auf solchen Methoden wollen die Überwachungsbehörden zunehmend ihre Kontrollen aufbauen und Fälschungen schneller und einfacher finden als bisher.
Tipps zum guten Einkauf
Auch bei Bio-Lebensmitteln gilt: am besten saisonal, regional und unverpackt. Ein Saisonkalender kann helfen herauszufinden, welche Produkte gerade besonders empfehlenswert sind.
Wichtig ist beim Bio-Einkauf ein Siegel, denn Formulierungen wie „aus kontrolliertem Anbau“ oder „aus umweltschonender Landwirtschaft“ klingen gut, sind aber nicht geschützt und sollen oft nur den Eindruck von Bio-Produkten erwecken. Die Siegel von Bio-Verbänden wie Bioland, Naturland oder Ecovin haben meist noch strengere Kriterien als das EU-Siegel.
Wer ökologische Lebensmittel regional, zum Beispiel bei lokalen Bauernmärkten oder Hofläden kauft, unterstützt damit zugleich die heimischen Bio-Landwirte, die in der Direktvermarktung auf Kundschaft angewiesen sind. Manchmal lohnt es sich, direkt nach den Anbaubedingungen nachzufragen. Denn manche kleinen Höfe produzieren unter Biobedingungen, haben aber nicht die kostspielige und aufwendige Zertifizierung.
Auch wer auf den Preis achten muss, kann nach Bio Ausschau halten: Vor allem bei vielen unverarbeiteten und nicht-tierischen Produkten gebe es kaum Preisunterschiede, meint Britta Klein vom Bundeszentrum für Ernährung in Bonn. Das Marktforschungsinstitut AMI fand heraus, dass sich Bio-Lebensmittel in der Inflation um sieben Prozent verteuert haben, konventionelle Produkte aber sogar um zwölf Prozent. Grund sei unter anderem der teurere Dünger, den konventionelle Landwirte benötigen.
Wer einen Bioladen in der Nähe hat, braucht ebenfalls nicht immer tiefer in die Tasche zu greifen als im regulären Handel: Ein Experiment des Hessischen Rundfunks zeigte nur geringe Preisunterschiede zwischen Bio-Lebensmitteln aus dem Discounter im Vergleich zum regionalen Bioladen.
„Die ökologische Landwirtschaft leistet einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft“, ist sich Britta Klein sicher – und deshalb seien höhere Preise, die gerade bei tierischen und verarbeiteten Produkten anfallen, durchaus gerechtfertigt. „Sie wirkt sich positiv auf unsere Gewässer, Böden und die Artenvielfalt aus. Diese Leistungen sollten auch entsprechend honoriert werden.“ Und obwohl die Supermarktketten auch bei Bio-Produkten die Preise drücken, seien „Bio-Spaghetti aus dem Supermarkt immer noch besser als keine Bio-Spaghetti“.
Lisa-Maria Mehrkens ist selbstständige Journalistin, Autorin und Psychologin (lisamariamehrkens.com).