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Kommentar: Grüne Energien nicht übersehen!

Wie können wir Energie sparen? Diese Frage ist spätestens jetzt hochaktuell. Für Redakteurin Anja Schäfer gehen die Überlegungen jedoch in die falsche Richtung.

Seit Putins Angriffskrieg ist die Frage, wie wir unseren Energiebedarf reduzieren, noch dringlicher geworden als wegen der Klimakrise ohnehin schon. So gut es ist, schnelle, pragmatische Lösungen für unsere Energieversorgung zu schaffen – etwa durch neue LNG-Terminals –, langfristig zukunftsträchtiger sind die drei E: Effizienz, Einsparung und Erneuerbare Energien. Man kann sich fragen, ob diese drei aktuell die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen. Warum gibt es beispielsweise noch keine sichtbare Bewegung zum Energiesparen – sowohl für Privathaushalte wie auch für die Industrie?

Stattdessen soll es Zuschüsse geben für Unternehmen, deren Strom- und Gaskosten von Februar bis September 2022 um mehr als 100 Prozent steigen. Leider wird mit den veranschlagten fünf bis sechs Milliarden Euro die Nutzung fossiler Energie weiter subventioniert und die Gaspreise werden hochgehalten.

Fortschritte bei erneuerbaren Energien

Immerhin: Laut sogenanntem „Osterpaket“ wurden die Ausbauziele für die Erneuerbaren kurzfristig noch einmal erhöht und sollen ein „überragendes öffentliches Interesse“ bekommen, was Genehmigungen beschleunigt. Bis 2035 soll die Stromversorgung komplett auf Erneuerbare umgestellt werden. Abstandsregeln zu bestimmten Radaranlagen werden geändert, sodass rund 1.000 Windkraftanlagen kurzfristig genehmigt werden können. Die Planungen sind ambitioniert und sollen im Sommer konkretisiert werden.

Merkwürdigerweise haben sie in Medien und Gesellschaft wenig Echo ausgelöst. Stattdessen werden in Talkshows und Diskussionen oft lieber alte Technologien wie Fracking und Atomkraft aufgewärmt, von denen wir uns aus guten Gründen schon verabschiedet hatten. Zumal der 6. IPCC-Bericht gerade erst wieder belegt hat, dass Erneuerbare Energien flächendeckend billiger sind als alle konventionellen Energien.

Selber anpacken!

Gleich selbst loslegen können wir mit unserer persönlichen Energiewende: Das Auto öfter stehenlassen. Alle Dinge länger nutzen und weniger neue kaufen. LEDs nutzen. Seltener duschen. Eine Solaranlage für Dach oder Balkon anschaffen. Zu einem glaubwürdigen Ökostrom-Anbieter wechseln (z. B. mit Gütesiegel „Grüner Strom“), denn das sorgt für Investitionen. Und dann: Über all die Veränderungen reden. Nachbarn und Bekannte begeistern. In Kirche und Sportverein Veränderungen anregen. Eine Aufbruchstimmung wecken. Alle packen für die Energiewende mit an – das wär doch was.

Anja Schäfer

Ideen zum Sromsparen

Kühlen
• Kühler als 7°C muss ein Kühlschrank nicht sein. Jedes Grad weniger spart 6 % Strom.
• Speisen abkühlen lassen, bevor sie in den Kühlschrank kommen.
• Je kleiner der Kühlschrank, desto weniger Stromverbrauch.
• Den Gefrierschrank regelmäßig abtauen.

Kochen
• Zum Topf passende Kochplatte wählen.
• Deckel aufsetzen.
• Wasser lässt sich am energieeffizientesten im Wasserkocher erhitzen.
• Nur so viel erhitzen, wie benötigt wird.

Backen
• Backofen nicht vorheizen.
• Einige Minuten früher ausschalten, um Restwärme zu nutzen.
• Umluft statt Unter-/Oberhitze wählen.

Spülen
• Geschirrspüler komplett befüllen.
• Eco-Einstellung und niedrige Temperaturen wählen.
• Kurzprogramme haben meist einen höheren Stromverbrauch.

Waschen
• Maschine voll beladen.
• Dank neuer Waschmittel reichen vielfach schon 20°C oder 30°C.
• Eco-Programme wählen.
• An der Luft trocknen.

Surfen
• Handys lieber während einer Mahlzeit laden als über Nacht. Die Aufladung nur zwischen 30 % und 70 % zu halten, schont auch den Akku.
• Laptop nicht ständig am Kabel lassen, sondern ausstöpseln, wenn er geladen ist.
• Bildschirmhelligkeit herunterregeln.
• Dank Steckdosenleisten mit Schalter lassen sich Elektrogeräte schnell vom Netz trennen, denn auch Stand-by verbraucht Energie.
• Weniger Bildschirmzeit = weniger Stromverbrauch.

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Weitergeben statt Wegwerfen: Wie Kreislaufwirtschaft Müllprobleme lösen will

Die Kreislaufwirtschaft soll helfen, Müll zu vermeiden und Produkte so lange wie möglich zu gebrauchen. Damit der Systemwandel gelingt, benötigt es jedoch ein Umdenken.

Unsere herkömmliche Wirtschaftsform funktioniert linear. Das heißt: Es werden Ressourcen abgebaut, zu einem Produkt verarbeitet, es wird verkauft, verwendet und entsorgt – wir leben in einer Wegwerfgesellschaft. Die problematischen Folgen davon sehen wir überall: Abfall, Umweltbelastungen, Rohstoffverknappung.

Produkte möglichst lange gebrauchen

Die Kreislaufwirtschaft oder Circular Economy geht von endlichen Ressourcen aus und möchte Materialkreisläufe möglichst schließen. Ziel dieses ganzheitlichen Ansatzes ist, Müll zu vermeiden, Lebenszyklen von Material und Produkten zu verlängern und Ressourcen so lange wie möglich und mit dem höchstmöglichen Wert in Gebrauch zu halten.

Die gemeinnützige Ellen MacArthur Foundation, die Kreislaufwirtschaft fördert, beschreibt sie als ein System mit dem Ziel, „Wachstum neu zu definieren und sich auf den positiven Nutzen für die gesamte Gesellschaft zu konzentrieren. Dazu gehört die schrittweise Entkopplung der Wirtschaft vom Verbrauch endlicher Ressourcen und die Reduzierung von Abfall.“ Vorbild ist die Natur, etwa wenn abgestorbene Pflanzen zu Humus werden und wiederum Nährstoffe für neue Pflanzen liefern.

Wert eines Produkts schützt vor Entsorgen

Ein Grundprinzip der Kreislaufwirtschaft ist es, Material und Produkten einen Wert beizumessen, statt sie als Abfall zu deklarieren. Dinge, die einen Wert haben, werden wir nicht einfach entsorgen. Wenn wir so denken, dann ist beispielsweise ein Kleidungsstück plötzlich so wertvoll, dass Wegwerfen nur im äußersten Notfall eine Option ist. Vorher kann Weitergeben, Flicken, Upcyceln, Wiederaufbereiten oder als letzte Möglichkeit auch Recyceln erwogen werden, um die Ressourcen daraus für neue Kleidungsstücke zu verwenden.

Die Kreislaufwirtschaft beginnt bereits beim Designen und Entwickeln von Produkten. Wie sie reparaturfähig und dauerhaft einsatzfähig sind, muss beispielsweise von Anfang an mitgedacht werden. Fehlt dieser Gedanke beim Entwickeln der Produkte und Dienstleistungen, dann kratzen wir nur an Symptomen.

Systemwandel nötig, damit Kreislaufwirtschaft gelingt

Verschiedene Aspekte sind wichtig:

  • Verwendung nachwachsender, klima- und umweltfreundlich gewonnener Rohstoffe
  • Einsatz erneuerbarer Energien
  • Auf Langlebigkeit angelegte Waren
  • Reparaturfähigkeit (z. B. Elektronikgeräte)
  • Wiederverwendbarkeit (z. B. Pfandflaschen)
  • Trennbarkeit der enthaltenen Rohstoffe für das Recycling
  • Anbindung an Recycling-Systeme

Im linearen Wirtschaftssystem werden einzelne Produkte und Dienstleistungen isoliert behandelt. Die Baumwollernte für eine Jeans hat beispielsweise nichts mit ihrem Verkauf zu tun. Im zirkularen Denken hingegen gilt jeder Schritt als Teil eines Systems, an dem verschiedene Akteure beteiligt sind: Jemand designt ein Kleidungsstück mit dem Ziel einer langen Nutzungsdauer, andere übernehmen die umwelt- und sozialverträgliche Herstellung, weitere Akteure kümmern sich um Verkauf und schließlich den möglichst langen Gebrauch, etwa durch Reparatur, Weitergabe im Secondhandshop oder einen Verleih. Jeder einzelne Schritt wird wertgeschätzt, weil er zum Gelingen der Kreislaufwirtschaft beiträgt.

Text: Debora Alder-Gasser

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Nachhaltige Mode: Mit diesen Tipps finden Sie sich im Fairtrade-Dschungel zurecht

Umweltsiegel, Second Hand und Capsule Wardrobe: Fairtrade-Mode kann überfordern. Dabei helfen schon kleine Tricks beim nachhaltigen Kleiderschrank.

Wie viele Kleidungsstücke besitze ich eigentlich? Diese Frage stellte ich mir vor ein paar Wochen, als ich mit der frisch gefalteten Wäsche vor meiner Kommode stand und erfolglos versuchte, alle Klamotten darin zu verstauen. Egal, wie sehr ich versuchte, zu quetschen und zu puzzeln: Meine Kommode ging nicht mehr zu. Der Stapel mit Pullis passte einfach nicht hinein.

5,8 Millionen Tonnen Kleidung landen im Müll

Etwa 60 neue Kleidungsstücke kaufen wir hierzulande jährlich, sagt die Umweltorganisation Greenpeace. Ich würde mich in Sachen Kleidung eigentlich als eher sparsam bezeichnen, und trotzdem haben sich in meinem Schrank 116 Teile angesammelt, von denen ich die Hälfte im letzten Jahr nicht einmal getragen habe. Nimmt man Socken und Unterwäsche dazu, wird die Zahl noch viel größer. 5,8 Millionen Tonnen Kleidung landen in Europa im Müll – pro Jahr. Nur ein kleiner Teil davon wird recycelt, weil die Fasern für die Wiederaufbereitung nicht geeignet sind oder die Kleidungsstücke aus Fasergemischen bestehen, die sich nicht sauber voneinander trennen lassen. Das meiste landet deshalb auf der Müllkippe oder wird verbrannt.

Wie genau es in der Fashion-Industrie aussieht, habe ich bei Sandra Dusch Silva erfragt. Sie ist Expertin für nachhaltige Lieferketten bei der Christlichen Initiative Romero (CIR), einem Verein, der sich mit Kampagnen- und Bildungsarbeit für ein gerechtes Wirtschaftssystem engagiert. Die Zahlen sind gigantisch: Die Fashion-Industrie verbraucht weltweit pro Jahr 98 Millionen Tonnen Erdöl, 79 Milliarden Kubikmeter Wasser – etwa anderthalb Mal so viel, wie der Bodensee fasst – und stößt fast 1.500 Tonnen CO2 aus. Zudem werden mehrere Millionen Tonnen umweltschädlicher Materialien produziert.

Die Angestellten seien diesen Chemikalien oft ohne ausreichende Schutzkleidung ausgesetzt, ihre Löhne reichten kaum zur Existenzsicherung und wer sich für bessere Arbeitsbedingungen in Gewerkschaften organisieren wolle, verlöre leicht seinen Job, erzählt Sandra Dusch Silva. Und in der Coronazeit habe sich diese Situation noch verschärft: „Es zeichnet sich ab, dass viele während der Pandemie dort nicht arbeiten konnten und damit auch nicht entlohnt wurden. Das hat die ökonomische Abhängigkeit noch verstärkt – die Schere zwischen Arm und Reich geht so global immer weiter auseinander.“

Welches Nachhaltigkeitssiegel ist passend?

Wenn ich das so höre, vergeht mir die Lust auf neue Kleidung. Aber gar nichts zu kaufen, ist natürlich keine Lösung, schließlich sind Kleidungsstücke Verbrauchsgegenstände – irgendwann gehen sie kaputt und müssen ersetzt werden. Auch wenn das bei meiner vollen Kommode womöglich noch ein Weilchen dauert. Was aber kann ich tun, um meinen Kauf möglichst nachhaltig zu gestalten? Weil ich als Endverbraucherin kaum selbst herausfinden kann, wo und wie Kleidung produziert wurde, sind Siegel eine gute Hilfe. Sie werden von Prüforganisationen vergeben, die die Herstellungsbedingungen der Kleidung überwachen.

Meist konzentriert sich ein Siegel nur auf einen Aspekt der Herstellung, zum Beispiel die Herkunft der Rohstoffe oder die faire Bezahlung. „Ein Siegel bedeutet nicht, dass es gar keine Probleme mehr in der Wertschöpfungskette gibt“, sagt Sandra Dusch Silva, „aber es stellt sicher, dass einige soziale oder ökologische Knackpunkte angegangen werden und dort nach Verbesserungsmöglichkeiten gesucht wird.“ Deshalb hält sie Siegel grundsätzlich für einen guten Hinweis auf fairere Mode. Allerdings gibt es viele verschiedene und nicht alle sind gleich aussagekräftig.

„Einige Unternehmen setzen sie ein, haben aber nicht wirklich ein Interesse an der Verbesserung der Arbeitsbedingungen im globalen Süden“, gibt Sandra Dusch Silva zu bedenken. Manchmal gehe es nur darum, Imageschäden zu reduzieren oder den Ruf aufzuhübschen. „Da fließt dann viel Geld, aber am Ende verspricht so ein Siegel dann nur die Einhaltung nationaler Gesetze – was ja eigentlich ohnehin Standard sein sollte“, findet sie und gibt mir ein paar Tipps mit auf den Weg, woran ich gute Siegel erkenne. Um einen Blick auf die jeweiligen Webseiten komme ich nicht herum: „Wichtig ist die Transparenz. Wenn mir nicht gesagt wird, wie man die Einhaltung der Kriterien überprüft und durch wen, dann sollte man das Siegel mit Vorsicht genießen.“ Außerdem sei die Frage wichtig: Wer setzt den Standard, den das Siegel vorgibt? Wer trifft die Entscheidungen dafür?

Webseiten helfen bei der Siegel-Suche

Sandra Dusch Silva wirbt für Siegel-Initiativen, bei denen verschiedene Akteure mit am Tisch sitzen und Probleme in der Wertschöpfungskette aus verschiedenen Perspektiven angehen. Auf Webseiten wie siegelklarheit.de und labelchecker.org werden die wichtigsten Siegel erklärt und eingeordnet. Dort kann man auch nach bestimmten Initiativen suchen.

Wer sich neben den Siegeln für die allgemeine Nachhaltigkeitsbilanz einzelner Modemarken interessiert, kann einen Blick auf das Projekt „Good on You” werfen: Dort werden Marken aufgrund ihrer ökologischen und sozialen Produktionsbedingungen bewertet. Die zugehörige App funktioniert gut, um im Laden kurz einzelne Marken abzuchecken. Allerdings stammt sie aus den USA, die erklärenden Texte gibt es nur auf Englisch und nicht jede deutsche Marke findet sich dort. Ein Angebot zum Checken der Löhne ist fashionchecker.org. Dort wird erklärt, welche Bekleidungsunternehmen existenzsichernde Löhne zahlen und wo produziert wird. Auch wer nach fair produzierenden Marken sucht, wird auf diesen Seiten fündig.

Wie sinnvoll ist der „Grüne Knopf“?

Schon lange haben Umweltorganisationen die Einführung eines umfassenden Siegels gefordert. Mit dem „Grünen Knopf” existiert nun seit zwei Jahren das erste staatliche deutsche Textilsiegel, das sowohl Unternehmen als auch deren Produkte auf ihre soziale und ökologische Nachhaltigkeit überprüft. Allerdings gibt es auch Kritik: „Der Grüne Knopf ist nicht weitreichend genug“, findet Sandra Dusch Silva. „Zum Beispiel werden existenzsichernde Löhne und das Recht auf Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen nicht aktiv gefördert. Außerdem sind die Prüfverfahren viel zu intransparent – gerade bei einem staatlichen Siegel sollte es eigentlich das absolute Minimum sein, Kontrollberichte und Ähnliches zu veröffentlichen.“

Wie nachhaltig ist meine Jeans?

Neben Siegeln helfen auch ein paar Grundregeln beim Einkauf. Zum Beispiel sind natürliche Stoffe wie Baumwolle umweltfreundlicher als synthetische Materialien wie Polyester, bei denen sich beim Waschen Mikrofasern lösen und in den Wasserkreislauf gelangen. Aber auch Baumwolle ist nicht gleich Baumwolle: Genetisch veränderte Monokulturen gefährden die natürlichen Ökosysteme und brauchen deutlich mehr Wasser als Pflanzen aus biologischem Anbau. Deshalb ist Bio-Baumwolle immer die bessere Wahl.

Bei Jeansstoffen gilt die Faustregel: Je heller, desto schlechter. Denn für die Bleichvorgänge kommen häufig umwelt- und gesundheitsschädliche Chemikalien zum Einsatz. Das gilt nicht für alle Marken, ist aber eine gute Orientierung für Jeansartikel, bei denen über die Herkunft nicht viel bekannt ist.

Diese Regeln helfen beim Kleiderkauf

Ganz grundlegend muss sich aber vor allem unsere Einstellung zu Kleidung ändern. Denn egal, ob bio oder nicht, ausgebeutet oder fair bezahlt: Die Masse an Kleidung, die wir konsumieren, ist einfach zu groß. Unser Planet ist überfordert mit den Ressourcen, die wir für unseren aktuellen Lebensstil verbrauchen und dem Müll, den wir hinterlassen. Deshalb sollten wir einen anderen Weg einschlagen, weg von Fast Fashion und hin zu einem bewussteren Modekonsum. Ein erster Schritt könnte zum Beispiel sein: keine Impulskäufe mehr. Bevor ein Teil an der Kasse landet, stelle ich mir die Fragen: Brauche ich das wirklich? Welchen Mehrwert bringt es in meinen Kleiderschrank? Welches Kleidungsstück erfüllt die Rolle dieses Neuzugangs momentan? Manchmal hilft es auch, den Laden nach der Anprobe wieder zu verlassen und erst später zurückzukommen und über den Kauf zu entscheiden. Oder – wie beim Wocheneinkauf im Supermarkt – vorher festzulegen, was ich eigentlich brauche und mich dann von Schnäppchen und Trends nicht beirren zu lassen.

Ein beliebtes Konzept ist die sogenannte „Capsule Wardrobe“. Die Londoner Boutiquenbesitzerin Susie Faux prägte den Begriff in den 1970er Jahren, als sie einige klassische Basics zusammenstellte, die bewusst zeitlos gehalten waren und mit einigen jahreszeitlichen Stücken ergänzt werden konnten. Heute suchen sich viele für eine bestimmte Zeit aus ihrer eigenen Kleidung eine Anzahl an Teilen aus, die sich gut kombinieren lassen. Die restliche Kleidung wird für diese Zeit weggepackt. Die christliche Social Media Managerin und Sinnfluencerin Larissa McMahon organisiert ihre Garderobe schon seit mehreren Jahren auf diese Weise. Sie findet, dieser bewusste Minimalismus kann das eigene Verhältnis zu Mode verändern: „Eine Capsule Wardrobe kann helfen, den eigenen Stil zu finden und entspannter mit Kleidung umzugehen.“ Sie hat gute Erfahrungen damit gemacht, ein Board bei Pinterest anzulegen und dort Kleidungsstücke zu pinnen, die ihr gefallen. „Daran konnte ich meinen eigenen Stil ganz klar erkennen und daran orientiere ich mich nun. Denn auch, wenn ich das ein oder andere Trendteil toll finde, oder den Stil von anderen, fühle ich mich doch in meinem Stil am wohlsten. Und das sind die Kleidungsstücke, die wir am Ende wirklich tragen.“

Wo kann ich nachhaltig einkaufen?

Soll der Kleiderschrank aber doch mal erweitert werden, lassen sich Jeans oder T-Shirts sehr gut in Second-Hand-Läden, über Ebay oder die Plattform vinted.de finden. Je länger Kleidung getragen wird, umso besser, denn das spart Material, Wasser und Energie. Dass gebrauchte Stücke meist auch günstiger sind, ist da ein netter Nebeneffekt.

Durch unsere Kaufentscheidungen nehmen wir Einfluss darauf, dass sich in der Modeindustrie etwas wandelt: Wenn Billigmodemarken auf ihren Klamotten sitzenbleiben, müssen sie etwas ändern. Häufig haben nachhaltig produzierte Kleidungsstücke aber ein großes Manko: Sie kosten deutlich mehr als die Konkurrenzprodukte aus der Fast-Fashion-Industrie. Nicht für alle ist es eine Option, 40 Euro für ein T-Shirt oder 120 Euro für eine Jeans auszugeben. Deshalb muss das langfristige Ziel sein, faire Kleidung zum normalen Standard und damit für alle zugänglich zu machen. T-Shirts für zwei und Hosen für acht Euro werden aber zu umweltverträglichen Bedingungen und fairen Löhnen nicht zu machen sein.

Diese Schwachstellen hat das Lieferkettengesetz

Die Arbeit in den Nähereien der Kleidungsindustrie bildet für einen Großteil der Bevölkerung von Bangladesch und benachbarten Ländern die Lebensgrundlage. Gleiches gilt für diejenigen, die auf den Baumwollfarmen schuften, Garne spinnen, Stoffe färben und Reißverschlüsse einsetzen. All diese Menschen sind auf eine sozial und ökologisch faire und vor allem transparente Lieferkette angewiesen. Mit dem neuen Lieferkettengesetz ist dafür ein erster Grundstein gelegt. In den Augen von Sandra Dusch Silva hat das Gesetz allerdings noch erhebliche Schwachstellen. „Es ist toll, dass Unternehmen jetzt für Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in gewissem Maße haftbar gemacht werden können, dass das jetzt kein gesetzesfreier wilder Westen mehr ist. Allerdings hat die Wirtschaft dafür gesorgt, dass es Abschwächungen gibt, zum Beispiel Ausnahmeregelungen bei Sorgfaltspflichten. Deshalb greift das Gesetz am Ende nicht weit genug.“

Die Entscheidungen zum Lieferkettengesetz haben gezeigt, dass der Einsatz vieler Initiativen und Einzelpersonen gewirkt hat, aber auch, dass der Druck auf die Wirtschaft größer werden muss. Kritische Nachfragen an der Kasse oder – noch besser – in einem Brief ans Unternehmen machen klar, dass Produktionsbedingungen für uns als Kunden und Kundinnen ein wichtiges Thema sind. „Von Betriebsräten aus größeren Modeunternehmen bekommen wir die Rückmeldung, dass solche Fragen nochmal auf einer ganz anderen Ebene auf das Unternehmen wirken“, sagt Sandra Dusch Silva.

Außerdem gibt es immer wieder Aktionen, um auf Probleme in der Kleidungsindustrie aufmerksam zu machen, zum Beispiel von der Kampagne für saubere Kleidung. Der oder dem Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises zu schreiben, ist zum Beispiel ein leichter Weg, Anliegen direkt in die tagesaktuelle Politik einzubringen. Auf jeden Fall gilt: hartnäckig bleiben. Die Modeindustrie ist riesig und die aktuellen Profiteure haben kaum Gründe, ihr Verhalten zu ändern. Deshalb müssen wir unsere Chance nutzen, ihnen diese Gründe zu liefern. Und Sandra Dusch Silva ermutigt, auch das eigene Umfeld für das Thema zu sensibilisieren – durch Gespräche oder auch Aktionen wie eine Kleidertauschparty, bei der alle ausrangierte Kleidung mitbringen, tauschen und über Probleme der Modeindustrie nachdenken – und darüber, wie sie nachhaltiger werden kann.

Marie Gundlach studiert Wissenschaftsjournalismus in Dortmund und liebt Second-Hand-Onlineshopping.

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Kommentar: Paradoxe Querdenker – Die Demokratie ist nicht in Gefahr

Jetzt das Ende der Demokratie zu verkünden, ist absurd. Trotzdem dürfen wir gegen Entscheidungen aufbegehren, sagt Uwe Heimowski, politischer Beauftragter der Evangelischen Allianz im Bundestag.

Mein Berliner Büro als politischer Beauftragter der Evangelischen Allianz in Deutschland hat eine exponierte Lage. Unser direkter Nachbar ist die US-Botschaft, wir sind knapp drei Minuten vom Brandenburger Tor und fünf Minuten vom Reichstagsgebäude entfernt. Wir arbeiten direkt am Puls der Republik, könnte man sagen.

Wenn in der Bundeshauptstadt demonstriert wird, sitzen wir buchstäblich in der ersten Reihe. Und demonstriert wird fast immer. Seien es stille Mahnwachen, bei denen Lebenslichter an die Opfer der Staatsgewalt in Belarus erinnern. Oder seien es große Demonstrationszüge wie der von Fridays for Future im Herbst 2019, bei dem Zehntausende vor allem junge Menschen mehrere Stunden friedlich die Straße unter unserem Fenster entlangliefen.

Querdenker vor der Haustüre

Auch die Querdenker demonstrierten rund um das Regierungsviertel. Ich musste nur zur Tür hinaustreten, um mir ein eigenes Bild zu machen. Das tat ich bei einigen Gelegenheiten (als einer von wenigen, die einen Mundschutz trugen, was mir eine Reihe spitzer Bemerkungen eintrug). Über die Querdenker-Demos wurde viel berichtet. Die Bilder von Aktivisten, die mit Reichskriegsflaggen in den Händen die Treppenstufen zum Reichstagsgebäude hinaufstürmten, gingen um die Welt. Ein unvergleichlicher Vorgang in unserer jüngeren Geschichte.

Manche wiegeln ab: Es sei nur eine Handvoll Leute gewesen, und zu wirklicher Gewalt ist es nicht gekommen. Ich war vor Ort an diesem Wochenende. Mein Eindruck: Es gab Tausende friedliche Demonstranten. Einige schräge Vögel sicher, ein paar Sektierer, die meisten waren ziemlich ungefährlich. Aber: Die Reichstagsstürmer waren nur der Gipfel des Eisbergs. Viele fragwürdige Gestalten tummelten sich gemeinsam mit friedlichen Kritikern der Corona-Maßnahmen auf den Straßen. Ich sah Ehepaare in QAnon-Shirts und kahlrasierte Männer mit spärlich verborgenen Runentattoos. Ich hörte einen Mann in sein Megafon brüllen, dass es den Abgeordneten „jetzt endlich an den Kragen“ gehe. Plakate sprachen der Bundesrepublik ihr Existenzrecht ab. Mehrere Redner behaupteten, die Meinungsfreiheit sei in Deutschland faktisch abgeschafft. Andere sprachen von „Corona-Diktatur“.

Die Demonstration ist Beweis für die Demokratie

Ironischerweise geschah das alles auf einer durch das Demonstrationsrecht geschützten Veranstaltung. Das Verwaltungsgericht hatte noch am Vortag entschieden, dass der Berliner Senat die Demo nicht verbieten dürfe. Den offensichtlichen Widerspruch nahmen die Querdenker nicht wahr: In welcher Diktatur wäre es möglich gewesen, dass ein Gericht gegen die Regierung entscheidet? Damit singen gerade die Verächter der Demokratie, ohne es zu merken, unserem Rechtstaat ein (paradoxes) Loblied.

Tief eingeprägt hat sich mir ein Interview aus dem Jahr 2014. Eine griechische Boulevardzeitung hatte eine Karikatur veröffentlicht, in welcher die Kanzlerin eine Armbinde mit einem Hakenkreuz trug. Darauf angesprochen antwortete Merkel sinngemäß: „Wissen Sie, ich komme aus der ehemaligen DDR, Sie können sich gar nicht vorstellen, was es mir bedeutet, dass wir heute Meinungsfreiheit haben. Da gehören solche Karikaturen wohl mit dazu.“

Paradoxe Populisten

Populisten (von lateinisch populus, das Volk) betonen oft: Demokratie ist die Herrschaft des Volkes. Das ist in der Tat ein wesentlicher Aspekt! Nur: Sie, die Populisten, geben vor, im Namen dieses Volkes zu sprechen. Was für eine Hybris, für die eigene Position eine angebliche (schweigende) Mehrheit zu reklamieren! Und: Demokratie ist viel mehr als nur „Volksherrschaft“.

„Wir sind das Volk“ war 1989 der richtige Ruf auf den Straßen in Leipzig oder Plauen. Er erinnerte die Führung eines Unrechtsstaat an die (Freiheits-)Rechte der Bürger. Dass ich eine solche friedliche Revolution (wenn auch aus Westperspektive) miterleben durfte, wird mich mein Leben lang zum Staunen bringen. Umso mehr erschüttert mich, wenn Menschen heute beklagen, dass die Zustände schlimmer seien „als in der DDR oder in Kuba“.

Zum Glück ein Rechtsstaat

Das Wesensmerkmal einer modernen Demokratie ist eine starke Verfassung, eine Demokratie ist nicht nur ein Mehrheits-, sondern vor allem ein Rechtsstaat. Eine Volksherrschaft ohne die Basis des Rechts wäre Anarchie oder „Demokratur“ – die dann zu einer Diktatur führen kann. Das haben wir Deutschen in unserer Geschichte leidvoll erfahren müssen, als die Weimarer Verfassung von Adolf Hitler mit „demokratischen“ Mitteln ausgehebelt wurde. In jüngster Vergangenheit haben wir das beim „arabischen Frühling“ gesehen, der so hoffnungsvoll begann, und dann etwa in Ägypten die Muslimbruderschaft an die Macht gespült hat.

Rechtstaatlichkeit ist zentral für Demokratien. Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland spiegelt sich die Erfahrung der Naziherrschaft. Gleich zu Beginn schließt es aus, dass es in Zukunft wieder eine überlegene „Rasse“ geben dürfe, Menschenrechte gelten allen. Danach wird die Verantwortung für den Frieden in der Welt betont: „(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt“ (Grundgesetz, Artikel 1). Ähnlich sind andere Europäische Verfassungen aufgebaut, etwa in Österreich und der Schweiz: Die Freiheitsrechte des Einzelnen werden gesichert, das schließt die Verantwortung für das Ganze der eigenen Gesellschaft und der übrigen Welt mit ein. Die Rechte des Einzelnen erreichen da ihre Grenze, wo sie die Rechte eines anderen einschränken.

Demokratie muss wehrhaft sein

Auf dieser Rechtsgrundlage fußt die Demokratie. Sie bindet den einzelnen Bürger ebenso wie die Regierungen. Wo eine Regierung gegen die eigene Verfassung verstößt, hat der Bürger das Recht, dagegen aufzubegehren. Um es mit einem alten Graffiti-Spruch zu sagen: „Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.“ Wenn der Staat Menschenrechte verletzt, dann gilt es dem Gewissen zu folgen, und sich dem Staat zu widersetzen.

Aber ist das die heutige Situation? Die Querdenker dürfen ihre Inhalte verbreiten, sie dürfen für Veranstaltungen werben und Demonstrationen anmelden. Das ist ihr demokratisches Recht. Wenn auf der Demo aber Menschen gefährdet sind, weil Auflagen zum Gesundheitsschutz nicht eingehalten werden oder wenn zu Gewalt aufgerufen wird, dann muss die Versammlung aufgehoben werden. Das ist nicht etwa ein Angriff auf die Demokratie selbst, sondern ein Ausdruck davon, dass die Demokratie auch wehrhaft sein muss und sein kann. Es geht in diesen Zeiten um nicht weniger als um die Demokratie selbst. Wir müssen sie verteidigen gegen ihre Verächter.

Es braucht Vertrauen in die Demokratie

Dafür müssen wir der Demokratie vertrauen. Vertrauen ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Vertrauen setzt Mut frei. Gerade in einer Krise. Als Vertreter der Evangelischen Allianz behaupte ich außerdem, dass gerade Christen angehalten sind, als verantwortliche Bürger alles zu tun, um das Vertrauen in unsere Verfassungs-Demokratie zu stärken. Gerade jetzt gilt es, unsere Institutionen zu stärken, die unabhängige Justiz und die Leitmedien zu unterstützen, statt sie abzuwerten.

Dazu gehört natürlich, dass wir uns kritisch zu Wort melden. Demokraten sind eben gerade keine Schlafschafe. Als politischer Beauftragter der Evangelischen Allianz habe ich in der Pandemie früh darauf hingewiesen, dass eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit (und damit der Religionsausübungsfreiheit) immer nur vorübergehend sein darf. Ich habe an die einsamen alten Menschen in Pflegeheimen erinnert, auf die Missstände in Schulen und Universitäten hingewiesen, die Korruptionsaffäre um Schutzmasken öffentlich angeprangert – gerade weil ich nicht bereit bin zu resignieren, sondern dieser Demokratie so sehr vertraue, dass ich mich an ihr beteilige.

Nicht beim allgemeinen Politiker-Bashing mitspielen

Genauso gilt es, denen entgegenzutreten, die mit einfachen Parolen versuchen, die Regierenden in ein falsches Licht zu stellen, den Staat und seine Organe zu schwächen und das Recht umzudeuten. Es gilt Fake-News zu entlarven und nicht beim allgemeinen Politiker-Bashing mitzuspielen. Wenn wir kritisieren, dann nicht pauschal, sondern konkret, konstruktiv und ohne persönliche Angriffe.

Ein Beispiel: Eine Politikerin hat ihren Lebenslauf ungenau veröffentlicht und den Bezug von Weihnachtsgeld zu spät dem Bundestag gemeldet. Das sind Fehler. Es ist richtig, sie als solche zu benennen. Man kann auch über einen Rücktritt diskutieren (den ich persönlich nicht für angemessen hielte). Populistisch ist, nun Halbwahrheiten in die Welt zu setzen und die Politikerin persönlich anzugreifen. Das hat mit einem politischen Diskurs nicht das Geringste zu tun. Es ist menschenverachtend und demokratiefeindlich. Als Christ möchte ich mich daran nicht beteiligen.

Etwas anders ist die Situation bei Parlamentariern, die über ihre Firmen mehrere Hunderttausend Euro an Provisionen für Corona-Schutzmasken eingestrichen haben. Angesichts der Schwere der Vorwürfe waren Rücktritte notwendig. Strafrechtliches Fehlverhalten und auch die Vorteilsnahme von Politikern dürfen nicht folgenlos bleiben. Doch auch in diesem Fall schießen persönliche Beleidigungen über das Ziel hinaus.

Demokratie heißt mitgestalten

Demokratie lebt vor allem davon, dass wir sie (mit-)gestalten. Dafür gibt es unzählige Möglichkeiten (um die uns übrigens viele Menschen rund um den Erdball beneiden). Wir können an Debatten teilnehmen, in den neuen Medien oder mit dem „altmodischen“ Leserbrief. Wir können im sogenannten „vorpolitischen Raum“ als Elternsprecher und in Vereinen aktiv werden. Wir können in Parteien eintreten und allein schon durch unsere Mitgliedschaft ein Zeichen setzen. Und wem es möglich ist, der kann dort Inhalte prägen und dafür arbeiten, dass uns Meinungsfreiheit, Recht und Gerechtigkeit erhalten bleiben.

In unserer Gesellschaft ist das möglich. In Freiheit. Wir alle sind am Puls der Demokratie. Ein Hoch auf uns. Nutzen wir die Chancen.

Uwe Heimowski ist Beauftragter der Deutschen Evangelischen Allianz am Sitz des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung in Berlin.