Sarah mit einem der Hühner, Foto: privat

Sarah erzählt: So kann man Hühner in der Großstadt halten

Obwohl sie in Hamburg lebt, hat sich Sarah Keshtkaran Hühner zugelegt. Drei Dinge musste sie dabei allerdings erst lernen.

Letztes Jahr bin ich mit meinem Mann und unseren Kindern zu meinen Eltern nach Hamburg, in das Zuhause meiner Kindheit mit Garten gezogen. Dort hat mich direkt der Hühnerstall unserer Zwerghühner, die wir als Kinder hatten, angelacht. „Der steht doch leer“, dachte ich. Und jeden Tag ein paar Körner gegen ein paar Eier zu tauschen, hielt ich für einen guten Deal. Mitte des Jahres war auch die beste Zeit, um Junghennen zu bekommen, und so suchte ich auf Ebay-Kleinanzeigen nach ein paar hübschen Hennen für meinen Garten. Ohne zu ahnen, was für Herausforderungen, Glücksmomente und neue Erkenntnisse ich mir damit in mein Leben holte.

Wenig Ahnung, aber viel Euphorie

Ich sprach mit meiner (Groß-)Familie und brauchte etwas Überzeugungskraft für meinen Mann und sehr wenig für meine Eltern und Kinder. Mein Vater ließ es sich nicht nehmen, nach ein, zwei Hundeblicken meinerseits den Stall etwas herzurichten. Ich streute ein, fand alte Näpfe und fuhr mit den Kindern zu einer privaten Hühnerzüchterin. Ich hatte einen großen Umzugskarton und jede Menge Euphorie im Gepäck. Meine Kinder scheuchten aufgeregt die Hühnerherde hin und her und ich suchte die fünf hübschesten Hennen aus. Alles unterschiedliche Rassen. Ich hatte einfach noch zu wenig Ahnung und mein Sinn für Ästhetik machte auch vor dem Hühnerstall nicht halt: Sie sollten alle grau sein. (Für die Kenner unter uns: Heute weiß ich, dass ich mir zwei nicht reinrassige Grünleger, zwei deutsche Sperber, ein Vorwerk- und ein Königsbergerhuhn einhandelte.) Ich kaufte gleich noch einen Sack Futter dazu und schüttelte innerlich kurz den Kopf, als die Züchterin mir empfahl, den Hühnern Spielzeug zu kaufen. Körner gegen Eier, das war mein Deal.

Die Hühner zogen in ihren Stall ein und fanden abends auch gleich ihre Stange für die Nacht. Man empfiehlt nämlich, Hühner abends in den Stall zu bringen, nachdem es dunkel wird – so ist es weniger stressig für die nachts schlafenden Hennen. Am Morgen öffnete ich die Hühnerklappe und fünf wilde Junghennen stürmten in ihren Auslauf. Wild hackten sie aufeinander ein, sprangen sich an und gackerten wie verrückt. Nicht alle von ihnen hatten bisher einen Auslauf geteilt und so musste in den nächsten Wochen die Hackordnung festgelegt werden. Heute weiß ich: Hennen, die einen Hahn haben, kommen als Gesamtgruppe schneller zur Ruhe. Da steht der Chef schonmal fest.

Zwei wichtige Lektionen

Und dann hatte ich einige Lektionen zu lernen. Die erste lautete: Hühner sind Vögel. Und je nach Rasse fliegen sie mehr oder weniger hoch. Zwei meiner Hühner fliegen sehr hoch und alle fliegen höher als zur Zaunoberkante des Zwerghuhn-Geheges. Schnell sammelte ich die Hennen also aus den Gärten der Nachbarn wieder zusammen und suchte im Schuppen ein Netz, das ich über den Auslauf spannte.

Meine zweite Lektion: Bei Hühnern ist man am besten nicht schwach. Einige Tage nach der Ankunft begann Hennelore, das kleinste Huhn, zu humpeln. Zusätzlich wurde sie von den anderen Hennen so gehackt, dass sie nach wenigen Tagen nur noch traurig auf der Stange saß. Ich hatte gedacht, das wäre einfach Federvieh – aber nun kauerte da diese kleine hilflose Henne und schon schloss ich sie in mein Herz. Ich baute ihr einen eigenen Auslauf und päppelte sie mit Zusatzfutter auf. Sie hörte zwar nicht auf zu humpeln, war aber glücklich. Eines Tages sprang ein Hund gegen ihr Gehege und sie erschrak sich so sehr, dass ihre vermutlich zuvor ausgekugelte Hüfte wieder einrenkte. Allerdings blieb Hennelore so traumatisiert von ihren Artgenossen, dass sie panische Angst bekam, sobald ich sie ins gemeinsame Gehege setzte. Ich brachte sie also auf einen anderen Hof mit netteren Hühnern.

Doch noch Hühnerspielzeug

Durch Hennelore und den traurigen Abschied begann ich, die Hühner in mein Herz zu schließen. Ich lernte: Hühner haben Bedürfnisse und Persönlichkeiten. Ich konnte mir erst gar nicht erklären, warum meine hübschen Hennen Federn verloren, bis ich sah, dass sie sie gegenseitig aßen. Durch Federpicken zeigten mir die Hühner, dass es ihnen nicht gut ging. Also tat ich das, was ich unbedingt schon vor Anschaffung der Hühner hätte tun sollen: Ich las eine Menge über Rassen und Gehegegrößen, über Sandbäder, Futter und Tierwohl, über Hühnerglück und auch übers Federpicken. Daraufhin baute ich einen größeren Auslauf mit einem höheren Zaun, kaufte einen Hahn und Hühnerspielzeug. Eine Portion Demut bekam ich gratis dazu.

Bevor der Hahn einzog, informierte ich unsere Nachbarn und brachte ihnen ein paar unglaublich leckere Eier vorbei. Diesmal hatte ich mich informiert und wusste, dass man laut unserer Baunutzungsverordnung selbst in einem reinen Wohngebiet einen Hahn mit bis zu sieben Hennen halten darf. Denn Hühner gelten als „Kleintiere“ wie Meerschweinchen und Kaninchen. Also zog unser Hahn Herr Paul bei uns ein.

Hühner mit Persönlichkeit

Nun genieße ich das Glück zufriedener Stadthühner und Frühstückseier aus dem eigenen Garten. Am liebsten beobachte ich die Hühner und staune über ihre ganz eigene Persönlichkeit. Jeden Morgen schlüpfe ich noch im Schlafanzug in meine Gummistiefel und öffne den Hühnern die Klappe. Ich sehe, wie die rastlose Chickaletta wieder einmal nach morgendlichem Eierlegen nervös gackert, als hätte sie ein Wunderwerk vollbracht. Wie die kleine Brütney, statt sich geltender Hackordnung gemäß hintenanzustellen, immer wieder versucht, die besten Körner zu picken und sich dafür immer und immer wieder Ärger einfängt. Und wie die unzertrennlichen Freundinnen Scharrlotte und Eilee sich wieder gemeinsam unter die Büsche zurückziehen.

Wenn ich Freunde besuche, bringe ich keine Blumen und Pralinen mehr mit, sondern Eier. Den Erzieherinnen und Erziehern im Kindergarten meiner Kinder habe ich vor Weihnachten eine Schachtel geschenkt und sie mit „Frohe (F)Eiertage“ beschriftet und damit für strahlende Augen gesorgt. Dank Feedback weiß ich, dass ich es mir nicht einbilde: Diese Eier schmecken besser als andere! Ist ja auch klar, denn in ihnen steckt viel mehr als nur Körnerfutter. In diesen Eiern steckt die Liebe zum Huhn, das Verständnis für seine Bedürfnisse und die Bereitschaft dazuzulernen – und aus diesen Zutaten ist, so glaube ich, das perfekte Frühstücksei gemach

Sarah Keshtkaran ist Autorin, Bloggerin, Mutter und Idealistin und lebt mit ihrer Familie in Hamburg. Mehr von ihr findet man unter @honigdusche, auf honigdusche.de oder in ihrem Podcast „Unterwegs zu uns“.

Symbolbild: Pixabay / Markus Distelrath

Die Stromer sind da? Doch wie grün sind E-Autos?

E-Mobilität wird immer mehr zum Alltag in Deutschland. Aber sind die Stromer auch der richtige Schritt Richtung Klimawende?

Um es gleich vorweg zu sagen: Am freundlichsten für die Natur ist und bleibt es, zu Fuß zu gehen. E-Autos wie Verbrenner verbrauchen Ressourcen und Energie und hinterlassen damit einen ökologischen Fußabdruck. Die Frage, um die es hier geht, lautet: Schaden Stromer der Umwelt weniger als Verbrenner?

Aktuellen Studien zufolge lautet die Antwort: Ja. Zwar sind die CO2-Ausstöße wegen der Batterie bei der Herstellung höher. Einer Studie des Fraunhofer Instituts von 2020 zufolge sind sie bei kleinen Fahrzeugen aber ab 18.000 Kilometern Laufleistung wieder ausgeglichen, bei großen Wagen und besonders CO2-intensiver Produktion kann es deutlich länger dauern. Ob die CO2-Bilanz noch besser wird, hängt vor allem von zukünftigen Entwicklungen ab. Zum Beispiel vom Strommix. Wenn der Akku zu Hause an einer Wallbox (siehe Kasten nächste Seite) mit eigenem Solar-Strom vom Dach geladen wird, ist das ziemlich nachhaltig. Wird er mit Kohlestrom betrieben, eher nicht. Wie gut wir die Energiewende hin zu erneuerbaren Energien hinkriegen, beeinflusst daher die Umweltbilanz von E-Autos stark.

Umweltfeind Batterien?

Zweifel an der Sinnhaftigkeit von E-Mobilität werfen regelmäßig die Batterien auf. Die Gewinnung notwendiger Rohstoffe wie Lithium und Kobalt ist problematisch. Im Kongo beispielsweise wird das Kobalt unter gefährlichen Bedingungen und zum Teil von Kindern abgebaut. In der südamerikanischen Atacama-Wüste leiden Natur und einheimische Bevölkerung stark unter dem Lithiumabbau, für den extrem viel Wasser nötig ist. Auch Arbeits- und Gesundheitsschutz der größtenteils noch in China gebauten Batterien sind oft mangelhaft. Bei alldem gilt es hinzugucken und faire Bedingungen in der gesamten Lieferkette zu fordern – das aber gilt ebenso für Akkus in Smartphones, Laptops und allen anderen Geräten. Nicht vergessen darf man bei der ganzen Rechnung, dass auch die Ölförderung seit Jahrzehnten schwerwiegende Eingriffe in die Natur bedeutet und durch Öl-Katastrophen Meerwasser verseucht und ungezählte Tiere getötet wurden. Im Oktober erst hat ein Tankschiff im Nord-Ostsee-Kanal einen 60 Kilometer langen Ölfilm verursacht. Öl wird zudem verbrannt und damit vernichtet, die Batterie-Rohstoffe aber werden nur verbaut, bleiben erhalten und können recycelt werden. 

Wiederaufbereitung

Weil es bislang noch wenige ausgediente E-Auto-Batterien gibt, wird ein Recycling-Kreislauf erst noch aufgebaut, gilt aber technisch als machbar. EU-Richtlinien sollen die Wiederaufbereitung in Zukunft fördern, sodass sie rentabel sein kann. Das schwedische Start-up Northvolt, 2016 von zwei ehemaligen Tesla-Managern gegründet und mitfinanziert auch von deutschen Unternehmen, baut derzeit nicht nur große Produktionskapazitäten für Batteriezellen in Europa auf, sondern plant auch die größte Recyclinganlage für Kobalt, Nickel, Mangan und Lithium. 

Das alles soll die problematischen Seiten der Batterieherstellung nicht kleinreden, aber zeigen: Es ist viel in Bewegung. Auch die Forschung schreitet voran. Tesla beispielsweise will schon bald Kobalt-reduzierte Hochenergie-Akkus bauen. Samsung setzt auf Feststoffbatterien ohne Lithium. Das Fraunhofer Institut hat eine Natrium-Nickelchlorid-Batterie aus heimischen Rohstoffen wie Tonerde und Kochsalz entwickelt. Weltweit forschen viele Unternehmen und Einrichtungen an alternativen Akku-Konzepten.

Zweites Leben

Derweil hat man festgestellt, dass die E-Auto-Batterien länger halten als anfangs erwartet: Nach manchen Erfahrungen bis zu zwölf, nach anderen bis zu 18 Jahre. Auch danach müssen sie nicht gleich verschrottet werden, sondern können noch als stationäre Stromspeicher für erneuerbare Energien dienen. In Leipzig etwa nutzt BMW bereits einen solchen Speicher aus etwa 700 Batterien. Im Stadion von Ajax Amsterdam werden mithilfe von knapp 600 alten Auto-Akkus Fußballspiele beleuchtet. Recycling und die großflächige Weiternutzung der Akkus sind noch Zukunftsmusik, doch die Chancen stehen gut, dass der Ressourcenverbrauch weiter sinken wird.

Größer als bei Verbrennern ist laut einer Studie des Bundesumweltministeriums von 2019 bei E-Autos das Problem von gesundheitsgefährdendem Feinstaub, der bei der Motorproduktion entsteht. Sowohl der Einsatz von Filtern in den Produktionsanlagen als auch von alternativen Materialien im Elektromotor sind in Zukunft denkbar. Hinzukommt der Feinstaub durch Reifenabrieb, der wegen des batteriebedingten höheren Gewichts bei Elektroautos größer ist. Sollten nächste Batterie-Generationen leichter werden, verringert sich das Problem. Und es hilft natürlich insgesamt, wenn statt Riesen-SUV möglichst kleine Autos mit wenig Gewicht und schmaleren Reifen gefahren werden. 

Weitere Entwicklung

Die E-Mobilität ist angekommen – und gleichzeitig erleben wir auch aktuell nur einen Zwischenstand in der Entwicklung. Parallel wird an alternativen Kraftstoffen und Brennstoffzellen auf Wasserstoffbasis geforscht. Für die Herstellung synthetischer Kraftstoffe beispielsweise wird der Luft CO2 entzogen, bevor es bei der Verbrennung wieder freigesetzt wird, sodass ein Kreislauf entsteht. 

Welche Durchbrüche in Zukunft erzielt werden und welche Antriebe sich durchsetzen, muss sich zeigen. Manches können wir selbst tun: uns in der Politik für die Energiewende starkmachen, bei Herstellern auf CO2-neutrale Produktion und faire Lieferketten drängen und nicht

zuletzt unser Fahrverhalten anpassen. Statt weiterhin auf Individualverkehr zu setzen, ist es im Hinblick aufs Klima weitaus schlauer, Gedanken und Ressourcen in alternative Transportkonzepte zu stecken und beispielsweise öffentliche Verkehrsmittel, Sammeltaxi- und Radwege-Systeme stärker auszubauen. Wer nicht aufs Auto verzichten kann, fährt aber auf die gesamte Nutzungsdauer gerechnet mit Stromern schon jetzt nachhaltiger als mit Verbrennern.

Text: Anja Schäfer