Thomas und Mirjam Junginger, Foto: Privat

Nachhaltigkeit: Dieses Paar betreibt eine Foodsharing-Station im Keller

In ihrem NachhaltigkeitsNetzwerk wollen Mirjam und Thomas Junginger nicht nur Lebensmittel teilen, sondern auch Ideen und Know-How. 350 Kilogramm an Essen geben sie jede Woche ab.

Angefangen hat alles mit einer kleinen Frage im Bioladen: „Habt ihr Salat, der sich nicht mehr verkaufen lässt?“ Mirjam und Thomas Junginger suchten ihn ursprünglich als Futter für ihre Kaninchen und Hühner. Zum Salat bekamen sie nach und nach Heidelbeeren, Spargel und anderes, das sich nicht mehr verkaufen ließ. Einige Gespräche und Anfragen später stand die Familie mit Bergen von Obst und Gemüse da.

Foodsharing-Station im Keller

Zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel wandern jedes Jahr in Deutschlands Mülltonnen. Laut einer Studie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft stammen davon mehr als die Hälfte aus unseren privaten Haushalten. Aber auch im Handel wird eine halbe Million Tonnen vernichtet: Lebensmittel, die noch genießbar wären, sich aber nicht mehr verkaufen lassen – wie Gemüse und Obst mit Druckstellen, verpackte Lebensmittel mit ablaufendem Mindesthaltbarkeitsdatum oder scheinbaren Mängeln.

Solche Lebensmittel landen nun bei Thomas und Mirjam in einem kleinen Dorf in der Nähe von Stuttgart, in dem ich sie für ein Gespräch besuche. Als sie privat so viele Lebensmittel erhielten, dass sie mit dem Verarbeiten nicht mehr hinterherkamen, stolperten sie über die Internetplattform Foodsharing.de, über die mittlerweile 200.000 registrierte Ehrenamtliche noch genießbare Lebensmittel retten und verteilen. Jungingers fanden: Das ist die Lösung! 2016 schlossen sie sich der Foodsharing-Community an und aus ihrem kleinen Kellerraum wurde ein sogenannter Fairteiler. In diese Stationen können gerettete Lebensmittel gebracht und von allen kostenlos mitgenommen werden.

350 Kilogramm Essen pro Woche

Mittlerweile ist aus ihrem Fairteiler der „NetzwerkLaden“ geworden. Rund 350 Kilogramm Lebensmittel geben sie von dort pro Woche weiter. Dahinter steht zudem ein Netzwerk, das noch mehr will als Lebensmittel retten: „Wir wollen Menschen verbinden“, erzählt Thomas. „Nachhaltigkeit ist uns wichtig, aber es geht uns auch darum, mit dem Laden einen Raum zu schaffen, in dem Menschen sich begegnen können.“ Und auch ihr Glaube an Gott ist ihnen wichtig. So wichtig, dass sie letztendlich nicht mehr zur religions- und werteneutralen Foodsharing-Plattform passten. Hinter dem Konzept stehen sie nach wie vor, doch sie möchten auch über den Glauben ins Gespräch kommen. „Wir sind Christen, das ist unsere Motivation und das möchten wir auch kommunizieren“, sagt Mirjam.

Wer Teil der Gruppe ist, packt mit an

Neben dem Laden starten sie immer wieder verschiedene Aktionen, die die Menschen miteinander verbinden und auf das Thema Nachhaltigkeit aufmerksam machen. Es gibt Arbeits- und Ideengruppen, aber normalerweise auch ein monatliches Feierabendgrillen und Flohmärkte im April und Juni.

Das alles bedeutet eine Menge Arbeit: Lebensmittel müssen abgeholt, verarbeitet und sortiert, der Laden muss sauber gehalten werden. Deshalb gilt der Grundsatz: Alle helfen mit! Wer fester Teil des Netzwerkes ist und regelmäßig über Lebensmittellieferungen informiert werden will, ist auch Teil einer Arbeitsgruppe, die beispielsweise den Transport der Lebensmittel oder das Putzen übernimmt. „Manchmal sitzen wir auch zusammen und sortieren körbeweise Erdbeeren oder verarbeiten gerettete Lebensmittel“, erzählt Thomas. Arbeiten und Gemeinschaft, beides gehört hier zusammen.

Nachhaltigkeit heißt Wertschätzung

Nachhaltig leben kostet viel Zeit und bedeutet einen Mehraufwand, da sind sich Mirjam und Thomas einig – aber auch darin, dass es sich lohnt: „Nachhaltigkeit hat ganz viel mit dem Thema Wertschätzung zu tun“, meint Thomas. „Wir haben kein Verhältnis mehr zum Aufwand, der hinter den Dingen steckt.“ Es gehe darum, hinzuschauen und den Preis zu sehen, den andere Menschen und die Umwelt für unseren Konsum zahlen. Wir wollen heute alle Produkte möglichst billig und dauerhaft verfügbar haben. „Wenn man das wahrgenommen hat, kann man schrittweise nach einer Alternative suchen, die den Menschen und den Schöpfer in seiner Arbeit wertschätzt und damit auch ehrt“, sagt Thomas. Lebensmittel nicht einfach wegzuwerfen, sondern so gut es geht weiterzuverwenden, ist für ihn einer dieser praktischen Schritte.

Das Paar stößt an Grenzen

Eine besondere Idee waren ihre Monats-Challenges, die sie in einem Jahr angeboten haben. Was sie als kleine Familienaktion begonnen hatten, sprang aufs Netzwerk über: kleine Anregungen, von denen man sich jeweils einen Monat lang herausfordern lassen kann, nachhaltiger zu leben.

Dass Mirjam und Thomas dabei auch schnell an ihre Grenzen stoßen, geben sie gerne zu. Gerade auf Plastik und Verpackungsmüll zu verzichten, ist mit geretteten Lebensmitteln schwer. Aber das nehmen sie gelassen: „Wenn nur Nachhaltigkeit unser Ding, unsere Ideologie, wäre, würden wir an unseren Grenzen verzweifeln“, sagt Thomas. Immer wieder würden sie ihrem eigenen Maßstab nicht gerecht oder rutschten zurück in alte Gewohnheiten. Das kenne ich auch gut. Trotz aller vorbildlicher Vorsätze kaufe ich dann doch immer wieder mal billig und schnell ein, einfach aus Bequemlichkeit, obwohl ich weiß, dass Umwelt oder Menschen darunter leiden. Für Mirjam wird an dieser Stelle ihr Glaube lebendig: „Wir müssen uns für Rückschläge oder eigene Grenzen nicht selbst fertig machen, sondern können damit in aller Freiheit zu Gott kommen und sagen: Ich habe es nicht geschafft.“ Bei aller Motivation für den Einsatz im Alltag ist bei ihnen so auch ganz viel Platz für Gnade. Als ich am Mittag den Hof des Netzwerkladens verlasse, gehe ich voll bepackt und reich beschenkt: Gerettete Schokolade, eine Packung Feldsalat, eingemachte Ananas und selbst gebackenen Brotpudding packe ich in mein Auto. Außerdem nehme ich praktische Ideen und vor allem die Motivation mit, kleine Dinge nach und nach zu verändern.

Mirjam und Thomas vergleichen das Nachhaltigkeitsnetzwerk gerne mit einem Büfett: „Es deckt einen Tisch mit leckeren Ideen, die Lust machen auf Nachhaltigkeit, Gemeinschaft und Glaube!“ Alle packen sich auf den Teller, was sie möchten – und dann wird gemeinsam gegessen und gefeiert.

Anne Gorges ist Theologin, Schrebergärtnerin, Mama und Bloggerin (kleineweggedanken.de).

Zwei Vertreter des Yanesha-Volkes, das seit Jahrtausenden das Land bewohnt, aber nun mehrere Generationen lang verdrängt und versklavt wurde. Jens Bergmann und sein Verein Chance e. V. haben mit mehreren Yanesha-Gemeinschaften Kooperationen begonnen. Foto: Chance e. V.

Wie ein deutscher Verein den Regenwald und Indigene schützt

Der Verein Chance e. V. unterhält eines der größten privaten Naturschutzgebiete in Peru. Dort kämpft die Organisation gegen Monokulturen und die Ausrottung indigener Völker.

Wenn Jens Bergmann von seiner Reise in die südliche Amazonasregion Madre de Dios erzählt, hört man noch sein Entsetzen: „Es war so schrecklich, was wir dort gesehen haben. Ich war schon vorher dort gewesen und damals war es noch ein unberührter, artenreicher Teil Amazoniens – heute ist diese Gegend von mafiamäßig organisierten Goldgräbern völlig zerstört worden.“

Peru ist der größte Goldproduzent in Lateinamerika. Neben den legalen Minen sind hier schon seit Langem auch illegale Goldgräbertrupps am Werk. Mithilfe von hochgiftigem Quecksilber wird das Gold vom Gestein getrennt. Zurück bleiben vergiftete Schlammlöcher und abgeholzte Mondlandschaften, von denen sich die Ökosysteme ein Menschenleben lang nicht erholen werden. „Allein in dieser Gegend gibt es 20.000 Quadratkilometer quecksilberverseuchte Sandflächen, wo vor 15 Jahren noch Primärregenwald war“, erzählt Jens Bergmann, Gründer und erster Vorsitzender des Vereins Chance e. V. mit Sitz in Köln.

Waldhüter mit Satellitentechnik

Er und Elizabeth Luque, die Leiterin der peruanischen Partnerorganisation, waren 2013 in Peru unterwegs, um neue Einsatzmöglichkeiten für ihren Verein zu finden, den sie 2003 gegründet hatten. Nach dieser Reise beschlossen sie, sich in Amazonien für den Schutz von Regenwald zu engagieren und ließen sich fortbilden vom ehemaligen Leiter dreier großer Naturschutzgebiete.

Heute überwacht der Verein mit einer staatlichen Lizenz und 25 Mitarbeitenden wahrscheinlich das größte von einer christlichen Organisation betriebene Naturschutzgebiet der Welt. Mit Waldhütern, Kontrollposten und Satellitentechnik sichern sie ein 200 Quadratkilometer großes Gebiet vor Wilderern und Landräubern. Eine halb so große Fläche steht nochmals in Aussicht. „Mittlerweile haben wir eine sehr gute Arbeitsbeziehung zur Forstbehörde“, sagt Jens Bergmann. „Wenn sie von freien Flächen erfährt, weist sie uns darauf hin.“

20 Prozent des Landes soll Wildnis bleiben

Fast die gesamte Landesfläche in Peru ist konzessioniert: Der Staat bleibt immer Eigentümer, vergibt aber verschiedene Nutzungsrechte – für Erdöl, Erdgas, Tourismus, Bergbau, Landwirtschaft und auch für den Naturschutz. Mindestens zwanzig Prozent der Landesfläche will die Regierung auch langfristig als Wildnis erhalten. Zum Vergleich: In Deutschland sollen in Zukunft zwei Prozent unbewirtschaftet bleiben, nicht einmal das wird aber aktuell erreicht.

Damit eine Naturschutzkonzession beantragt werden kann, müssen Bedingungen erfüllt sein: Keine indigene Bevölkerung darf dort leben, kein Bergbau darf betrieben werden. Eine Konzession wird für vierzig Jahre übertragen und kann bei gutem Management verlängert werden.

Im Behördendschungel

Für die Antragstellung war viel Ausdauer erforderlich. Als Jens Bergmann und sein Verein von einem freien Stück Regenwald erfahren hatten, begannen zweieinhalb Jahre schwieriger Verhandlungen. Die Mitarbeitenden der Forstbehörde gelten als schlecht ausgebildet, sind fast immer unterbezahlt und nicht selten korrupt. Hinzu kommt in Peru ein Zuständigkeitswirrwarr: Gesetze und Verordnungen widersprechen sich mitunter, selbst die Mitarbeitenden steigen oft nicht durch. Nachdem der Verein den ersten Antrag mit allen Unterlagen und Unterschriften für die Naturschutzkonzession gestellt hatte, wurde ein neues Forstgesetz verabschiedet. Nun war zusätzlich ein Dekret des Staatspräsidenten notwendig und konnte erst nach dem Zusammenschluss mit anderen NGOs erwirkt werden. „Dann wurde plötzlich der Leiter der Behörde in einer Nacht- und Nebel-Aktion festgenommen, weil er Chef einer illegalen Holzmafia war“, erinnert sich Jens Bergmann, „und daraufhin lag der Antrag erstmal rum.“ Der Verein schaltete bekannte Umweltanwälte aus Lima ein. Sie arrangierten ein Treffen mit der Chefin der nationalen Forstbehörde, drohten mit juristischen Schritten – und erhielten zwei Tage später die unterzeichneten Verträge.

Die Regenwaldfläche wurde auf die peruanische Partnerorganisation übertragen und die Arbeiten konnten beginnen: Die Grenzen des Gebiets mussten markiert und Bestandsaufnahmen gemacht werden. Lokale Waldhüter wurden ausgebildet, Kontrollposten an den Zugangswegen eingerichtet. Überwacht wird alles von der gut finanzierten Kontrollbehörde der Forstbehörde.

Ananas in der Monokulturwüste

Im Süden grenzt das Regenwaldgebiet an das staatliche Waldschutzgebiet Pui Pui, auf der anderen Seite an ein kleineres privates Schutzgebiet. So beschirmen sie sich nicht nur gegenseitig, sondern vergrößern auch den biologischen Korridor für die Tier- und Pflanzenarten.

Im Norden und Nordwesten liegen zehn Walddörfer, die vom Kaffeeanbau leben. Jenseits dieses Grüngürtels beginnt die Ananaszone: Monokulturwüste, wo vor dreißig Jahren noch dichter Regenwald wuchs. Ananas brauchen Vollsonne und reagieren sehr empfindlich auf Schädlinge und Nährstoffmangel. Deshalb wird der Dschungel bis auf den nackten Boden brandgerodet, der Lebensraum der Pflanzen und Tiere vernichtet. Die endlosen Reihen stachliger Gewächse werden mit Kunstdünger vollgepumpt und mit Pestiziden behandelt, die durch die häufigen Regenfälle weggespült werden und das Trink- und Grundwasser der umliegenden Region vergiften. Gegen die Fruchtfliege werden sie zudem in weiße Plastikfolie verpackt. „Das sind apokalyptische Landschaften“, sagt Jens Bergmann.

Umso wichtiger ist es, mit den Kaffee-Kleinbauern zusammenzuarbeiten, ihnen den Wert des Regenwaldes zu zeigen und sie darin zu bestärken, ihn zu schützen. Ein eigener Kaffeespezialist des Vereins schult sie zudem in nachhaltigem und hochqualitativem Anbau von Bio-Kaffee, für den geringere Anbauflächen nötig sind und der dennoch ein höheres Einkommen erzielt als eine konventionelle Erzeugung.

Indigene Gemeinschaften drohen auszusterben

Gute Kontakte unterhält der Verein auch zu etlichen indigenen Gemeinschaften des Yanesha-Volkes, die rund 50 Kilometer entfernt leben. Nachdem sie Generationen lang vertrieben, entrechtet, vergewaltigt und versklavt worden sind, drohen Kultur und Sprache dieses Volkes nun auszusterben. Noch etwa 40 Gemeinschaften gibt es, nur in etwa zehn wird die Sprache noch an die Kinder weitergegeben. Manche Gemeinschaften sind dem Drogenhandel erlegen. Es gibt große Zerfallserscheinungen. Die Zusammenarbeit von Chance e. V. mit den indigenen Gemeinschaften unterscheidet sich mittlerweile von der Arbeit anderer NGOs. „Wir wollen indigene Gemeinschaften von innen stark machen“, erklärt Jens Bergmann, „also nicht Straßen, Schulen oder Spitäler bauen, sondern die Menschen begleiten, die in eine Welt geworfen sind, die sie gar nicht verstehen.“

Die Vereinten Nationen haben 2007 eine Erklärung über die Rechte indigener Völker verabschiedet, der sich Peru angeschlossen hat. Dazu gehört das Recht, eigene Institutionen, Kulturen und Traditionen zu bewahren und sich an allen Angelegenheiten, von denen sie betroffen sind, wirksam zu beteiligen. „Die Autonomie, die ihnen zugesprochen wird, ist erstaunlich groß. Die Regierung muss den indigenen Gemeinschaften beispielsweise zweisprachige Lehrer zur Verfügung stellen, tut das aber nicht“, erläutert Jens Bergmann.

Kampf für die Rechte der Indigenen

Doch eigene Rechte kann nur einfordern, wer sie kennt – nicht selbstverständlich für eine Kultur, die sich schon darin unterscheidet, dass sie nicht schriftbasiert ist. In diese Lücke springt der Verein durch Kooperationen mit jenen indigenen Gemeinschaften, die dafür offen sind. „Das ist eine komplizierte Arbeit, die langen Atem erfordert. Viele Workshops und Gespräche sind dafür nötig“, beschreibt Jens Bergmann. Sie feiern Feste der kulturellen Identität, veranstalten Kochwettbewerbe mit einheimischem Essen und starten Arbeitsgruppen, etwa zum Thema Schule oder Dorfgesetze. „Wir begleiten diese Gemeinschaften dabei, sich selbst eine politische Verfassung zu geben, um sich nach innen und außen zu definieren und zu festigen und ihre Rechte verteidigen zu können. Und wir geben viel Geld für Anwälte aus, die die Indigenen befähigen, ihre Territorialrechte zu verteidigen. Und in der zweiten Phase unserer Begleitung entwickelt jede Gemeinschaft für sich einen nachhaltigen Entwicklungsplan.“

Und da schließt sich der Kreis: Denn wenn die indigenen Gemeinschaften ihre Territorien schützen, verstärken sie damit auch den Schutz für die großen staatlichen Regenwaldgebiete, die an ihre Gebiete grenzen.

Mit Gott im Regenwald

In Deutschland ist der Verein eng mit Kirchen und Gemeinden aus ganz verschiedenen Richtungen verbunden, bietet Workshops und Predigten in Gottesdiensten an, etwa zum Thema „Schutz der Schöpfung in der Bibel“. „Unser christlicher Glaube steht im Zentrum unserer Motivation und auch unserer Identität als Organisation“, sagt Jens Bergmann. „Was unsere Methoden angeht, spielt das eine weniger große Rolle. Wenn ein Christ Mathelehrer ist, ändert sich der Matheunterricht dadurch nicht. Der muss einfach fachlich gut sein. Und so sehen wir das für unsere Arbeit auch.“

Durch spanische Missionarsmönche, die im Lauf der Kolonialgeschichte nach Peru kamen, und auch pfingstchristliche Missionare, die seit den 70er Jahren aktiv waren, sind viele Yanesha christlich geprägt. „Aber da wurde nicht immer das positive und im ganzheitlichen Sinne erlösende Potenzial gepredigt“, formuliert Jens Bergmann vorsichtig. „Wenn wir mit ihnen Gottesdienste feiern, versuchen wir, das ganz anders zu machen, stärker in ihrer Kultur verortet. Und man muss ja auch nicht zwingend Kirchen bauen, sondern kann im Wald Gottesdienst feiern – der wurde schon von Gott gemacht.“ Alles hängt zusammen: Das Bewusstsein für die Schöpfung, Bildung, Gemeinschaft und ein gelingendes Leben. „Wir versuchen, in unserem ganzen Arbeiten, die Adlerperspektive einzunehmen“, sagt Jens Bergmann deshalb. Es geht darum, dass Menschen innerlich gestärkt werden und Verantwortung übernehmen können für sich selbst, für ihre Familien und für einen intakten, geschützten Lebensraum, der wiederum die Grundlage ist für das Wohlergehen aller Menschen – nicht zuletzt von uns, auf der anderen Seite der Erdkugel.

Text: Anja Schäfer

Der Verein
Mit Freunden aus Deutschland und Peru gründete Jens Bergmann 2003 den Verein Chance e. V. Nach Projekten in Peru kamen 2010 Projekte in abgelegenen Maasai-Dörfern in Kenia hinzu. 2013 wurde die Arbeit in Peru nach Amazonien verlagert, um Regenwald und damit die Lebensgrundlage für Menschen und Dorfgemeinschaften zu schützen. Der Verein bietet die Möglichkeit, Waldpatenschaften zu übernehmen. Auch ein Patenkinderprogramm wurde aufgebaut, in dem die Kinder nicht nur praktisch unterstützt werden, sondern in Waldprojekten und bei Ausflügen lernen, soziale und ökologische Verantwortung zu übernehmen.
Infos:
mein-regenwald.de
chance-international.org
Der Kaffee aus der Region ist erhältlich über: kuuna-kaffee.de

Symbolbild: Getty Images / E+ / Bartosz Hadyniak

Großprojekt: „Afrikas grüne Mauer“ soll Fluchtursachen und Klimaerwärmung bekämpfen

Mitten in Afrika entsteht gerade ein riesiger Grünstreifen. Seine Wirkung wäre enorm. Das Projekt kommt jedoch nur schleppend vorwärts.

Quer durch den afrikanischen Kontinent soll über eine Länge von 8.000 Kilometern ein Grünstreifen durch die gesamte Sahelzone gepflanzt werden: die „Great Green Wall“, auf deutsch auch „Afrikas grüne Mauer“ genannt.

Perspektive für viele

2005 wurde das Projekt von der Afrikanischen Union beschlossen und elf Nationen starteten damit. Inzwischen ist die Unterstützung auf 21 afrikanische Staaten angewachsen, zusätzlich fördern es unter anderem Weltbank, UN und EU.

Wenn dieses Menschheitsprojekt verwirklicht wird, kommt es dem Klima des ganzen Planeten zu Gute. Vor allem aber soll es die Ausbreitung der Sahara nach Süden stoppen und damit den Verlust fruchtbarer Böden. Vor Ort entstehen Arbeitsplätze, Landwirtschaft wird möglich und die ganze Region stabilisiert. Rund 50 Prozent der Bevölkerung in der Sahelzone sind unter 15 Jahre alt. 60 Millionen von ihnen könnten laut Schätzungen bis 2045 aus mangelnder Zukunftsperspektive die Flucht nach Europa antreten. Viel besser wäre es, ihnen zu Hause eine Perspektive zu verschaffen. Aufforstung, Bodenverbesserung, Arbeitsplätze vor Ort sind dafür entscheidende Mittel.

Bisher ein Mosaik

Soweit die Vision. Oder der Traum? Denn die Erfolge sind bisher bescheiden. Gerade einmal 15 bis 20 Prozent der angedachten Fläche sind nach nunmehr 15 Jahren bepflanzt worden. Sichtbare Aufforstung gibt es bisher vor allem im Senegal, dem ganz im Westen am Atlantik gelegenen Start des gedachten gigantischen Grünstreifens. Grüner wird es zudem in Burkina Faso, Nigeria und in Äthiopien, das der Aufforstung politisch große Priorität einräumt. In anderen Staaten hindern unter anderem Terrorismus und Korruption die Fortschritte.

Verantwortliche sprechen daher zurzeit weniger von einer Mauer, sondern lieber von einem großen grünen Mosaik. Und das mag in der Verwirklichung einer großartigen Vision auch sinnvoll sein: An vielen verschiedenen Stellen das Machbare tun, damit es sich stabilisiert und entwickelt. Zudem könnte eine durchgehende Mauer an solchen Orten gar nicht sinnvoll sein, wo niemand lebt, der die Bäume pflegt. Diese und weitere Lernerfahrungen gehören auch zu einem Mammutprojekt wie diesem dazu.

Text: Johannes Fähndrich. Weitere Infos: greatgreenwall.org 

Symbolbild: Getty Images / The Image Bank / Joos Mind

Bio oder Fairtrade? Veronika verzweifelt beim nachhaltigen Einkauf

Für Veronika Smoor ist der Wocheneinkauf eine Qual. Denn die beste Lösung gibt es beim Thema Nachhaltigkeit oft nicht.

Gerade bricht im Obstgang die Welt eines Zweijährigen zusammen. Tim, so heißt er. Das erfahre ich aus der gepressten Stimme der Mutter: „Tim, nein, ich kaufe keine Ananas! Die kommt aus Südafrika. Das ist ganz schlecht für unser Klima.“ Tim ist nicht überzeugt und heult und schreit, was das Zeug hält. Die einheimischen Äpfel, mit der die Mutter ihn locken will, entschärfen die Situation keineswegs. Tim liegt nun auf dem Boden. Ich mache einen Bogen um ihn und lächle der Mutter aufmunternd zu. Es ist noch nicht lange her, da lagen meine Töchter auch auf Supermarktböden rum, weil ich ihnen gezuckertes Müsli verweigert hatte.

Wer ist wichtiger: Umwelt oder Bauer?

Auf meiner Einkaufsliste steht unter anderem: Bananen, Birnen, Salat, Zwiebeln und Möhren. Letztere gibt es in vier Variationen und die Wahl wird mich drei Minuten meines Lebens kosten: Bio, in Plastik verpackt. Die Krummen Dinger, nicht Bio, unverpackt. Möhren mit Möhrengrün, nicht bio, unverpackt. Konventionelle Möhren im Plastiksack. Letztendlich entscheide ich mich aus Mitleid für die Krummen Dinger. Niemand will euch, nur weil ihr etwas zu kurz oder lang geraten seid und die hier hat sogar zwei Beine. Wie niedlich. Kommt her zu Mama! 

Nun auf zu den Bananen, wobei ich wieder einen Bogen um Tim mache, der den Apfelstreik auf dem Boden fortführt. Ich widme mich dem Bananendilemma: Fairtrade-Banane in Plastik verpackt, unfaire Bio-Bananen unverpackt, konventionelle Bananen unverpackt. Ich wäge ab. Ist mir der Bauer in Lateinamerika wichtiger oder die Umwelt? Ich will mich für das kleinere Übel entscheiden, wenn ich nur wüsste, welches das ist. Am liebsten möchte ich mich schreiend neben Tim auf den Boden legen. Ich greife nach den Fair-Trade-Bananen. Die Zwiebeln lassen mich fast in Tränen ausbrechen, denn meine Lieblingssorte (rot, klein, süß) gibt es weder in Bio noch unverpackt. Die einzige Variante, die noch in Frage käme, sind die Zwiebeln eines Bio-Lebensmittel-Anbieters, deren Preis man mit Gold aufwiegen könnte. Seit wann sind Zwiebeln bitteschön Luxusartikel? Beim Salat und den Birnen gebe ich auf und greife nach plastikverpackter konventioneller Ware. Energisch schiebe ich den Wagen zum nächsten Schlachtfeld: der Wursttheke. Die inneren Gewissenskämpfe erspare ich dir an dieser Stelle. Es sei nur soviel gesagt: Ich habe heute viel Plastik gespart, aber dafür keine Bio-Wurst im Wagen.

Wir können es nie ganz richtig machen

An der Kasse treffe ich Tim und seine Mutter wieder. Seine Hand steckt in einer Tüte Erdnussflips, die er Richtung rotfleckiges, verquollenes Gesicht wandern lässt. Die Mutter hat im Snackgang kapitulieren müssen.

Sacht lege ich meine Einkäufe aufs Band und bin wie so oft unglücklich. So gerne würde ich bewusst einkaufen, dabei aber auch meinen Geldbeutel nicht überstrapazieren und mit einem Gefühl von moralischer Überlegenheit nach Hause fahren. Aber solange es noch keine verbindlichen Standards für Supermärkte hinsichtlich von Plastikvermeidung und Bioprodukten und Zweite-Wahl-Ware gibt, wird unserem Gewissen viel Flexibilität abverlangt. Wir können es momentan nie ganz richtig machen. Aber es ist die Annäherung, die so wichtig ist. Vielleicht können wir im Wechsel eine Woche lang Plastik vermeiden, in der anderen nur Bio kaufen? Und Supermarktketten mit Protestmails fluten! Oder wir steigen um auf die Ökokiste, welche bereits in vielen Regionen von Biohöfen angeboten wird.

Ein bisschen was möchte ich aber auch von Tims Mama lernen. Zu den einheimischen Äpfeln greifen und mir öfter mal die Bananen verkneifen.

Text: Veronika Smoor

Sarah mit einem der Hühner, Foto: privat

Sarah erzählt: So kann man Hühner in der Großstadt halten

Obwohl sie in Hamburg lebt, hat sich Sarah Keshtkaran Hühner zugelegt. Drei Dinge musste sie dabei allerdings erst lernen.

Letztes Jahr bin ich mit meinem Mann und unseren Kindern zu meinen Eltern nach Hamburg, in das Zuhause meiner Kindheit mit Garten gezogen. Dort hat mich direkt der Hühnerstall unserer Zwerghühner, die wir als Kinder hatten, angelacht. „Der steht doch leer“, dachte ich. Und jeden Tag ein paar Körner gegen ein paar Eier zu tauschen, hielt ich für einen guten Deal. Mitte des Jahres war auch die beste Zeit, um Junghennen zu bekommen, und so suchte ich auf Ebay-Kleinanzeigen nach ein paar hübschen Hennen für meinen Garten. Ohne zu ahnen, was für Herausforderungen, Glücksmomente und neue Erkenntnisse ich mir damit in mein Leben holte.

Wenig Ahnung, aber viel Euphorie

Ich sprach mit meiner (Groß-)Familie und brauchte etwas Überzeugungskraft für meinen Mann und sehr wenig für meine Eltern und Kinder. Mein Vater ließ es sich nicht nehmen, nach ein, zwei Hundeblicken meinerseits den Stall etwas herzurichten. Ich streute ein, fand alte Näpfe und fuhr mit den Kindern zu einer privaten Hühnerzüchterin. Ich hatte einen großen Umzugskarton und jede Menge Euphorie im Gepäck. Meine Kinder scheuchten aufgeregt die Hühnerherde hin und her und ich suchte die fünf hübschesten Hennen aus. Alles unterschiedliche Rassen. Ich hatte einfach noch zu wenig Ahnung und mein Sinn für Ästhetik machte auch vor dem Hühnerstall nicht halt: Sie sollten alle grau sein. (Für die Kenner unter uns: Heute weiß ich, dass ich mir zwei nicht reinrassige Grünleger, zwei deutsche Sperber, ein Vorwerk- und ein Königsbergerhuhn einhandelte.) Ich kaufte gleich noch einen Sack Futter dazu und schüttelte innerlich kurz den Kopf, als die Züchterin mir empfahl, den Hühnern Spielzeug zu kaufen. Körner gegen Eier, das war mein Deal.

Die Hühner zogen in ihren Stall ein und fanden abends auch gleich ihre Stange für die Nacht. Man empfiehlt nämlich, Hühner abends in den Stall zu bringen, nachdem es dunkel wird – so ist es weniger stressig für die nachts schlafenden Hennen. Am Morgen öffnete ich die Hühnerklappe und fünf wilde Junghennen stürmten in ihren Auslauf. Wild hackten sie aufeinander ein, sprangen sich an und gackerten wie verrückt. Nicht alle von ihnen hatten bisher einen Auslauf geteilt und so musste in den nächsten Wochen die Hackordnung festgelegt werden. Heute weiß ich: Hennen, die einen Hahn haben, kommen als Gesamtgruppe schneller zur Ruhe. Da steht der Chef schonmal fest.

Zwei wichtige Lektionen

Und dann hatte ich einige Lektionen zu lernen. Die erste lautete: Hühner sind Vögel. Und je nach Rasse fliegen sie mehr oder weniger hoch. Zwei meiner Hühner fliegen sehr hoch und alle fliegen höher als zur Zaunoberkante des Zwerghuhn-Geheges. Schnell sammelte ich die Hennen also aus den Gärten der Nachbarn wieder zusammen und suchte im Schuppen ein Netz, das ich über den Auslauf spannte.

Meine zweite Lektion: Bei Hühnern ist man am besten nicht schwach. Einige Tage nach der Ankunft begann Hennelore, das kleinste Huhn, zu humpeln. Zusätzlich wurde sie von den anderen Hennen so gehackt, dass sie nach wenigen Tagen nur noch traurig auf der Stange saß. Ich hatte gedacht, das wäre einfach Federvieh – aber nun kauerte da diese kleine hilflose Henne und schon schloss ich sie in mein Herz. Ich baute ihr einen eigenen Auslauf und päppelte sie mit Zusatzfutter auf. Sie hörte zwar nicht auf zu humpeln, war aber glücklich. Eines Tages sprang ein Hund gegen ihr Gehege und sie erschrak sich so sehr, dass ihre vermutlich zuvor ausgekugelte Hüfte wieder einrenkte. Allerdings blieb Hennelore so traumatisiert von ihren Artgenossen, dass sie panische Angst bekam, sobald ich sie ins gemeinsame Gehege setzte. Ich brachte sie also auf einen anderen Hof mit netteren Hühnern.

Doch noch Hühnerspielzeug

Durch Hennelore und den traurigen Abschied begann ich, die Hühner in mein Herz zu schließen. Ich lernte: Hühner haben Bedürfnisse und Persönlichkeiten. Ich konnte mir erst gar nicht erklären, warum meine hübschen Hennen Federn verloren, bis ich sah, dass sie sie gegenseitig aßen. Durch Federpicken zeigten mir die Hühner, dass es ihnen nicht gut ging. Also tat ich das, was ich unbedingt schon vor Anschaffung der Hühner hätte tun sollen: Ich las eine Menge über Rassen und Gehegegrößen, über Sandbäder, Futter und Tierwohl, über Hühnerglück und auch übers Federpicken. Daraufhin baute ich einen größeren Auslauf mit einem höheren Zaun, kaufte einen Hahn und Hühnerspielzeug. Eine Portion Demut bekam ich gratis dazu.

Bevor der Hahn einzog, informierte ich unsere Nachbarn und brachte ihnen ein paar unglaublich leckere Eier vorbei. Diesmal hatte ich mich informiert und wusste, dass man laut unserer Baunutzungsverordnung selbst in einem reinen Wohngebiet einen Hahn mit bis zu sieben Hennen halten darf. Denn Hühner gelten als „Kleintiere“ wie Meerschweinchen und Kaninchen. Also zog unser Hahn Herr Paul bei uns ein.

Hühner mit Persönlichkeit

Nun genieße ich das Glück zufriedener Stadthühner und Frühstückseier aus dem eigenen Garten. Am liebsten beobachte ich die Hühner und staune über ihre ganz eigene Persönlichkeit. Jeden Morgen schlüpfe ich noch im Schlafanzug in meine Gummistiefel und öffne den Hühnern die Klappe. Ich sehe, wie die rastlose Chickaletta wieder einmal nach morgendlichem Eierlegen nervös gackert, als hätte sie ein Wunderwerk vollbracht. Wie die kleine Brütney, statt sich geltender Hackordnung gemäß hintenanzustellen, immer wieder versucht, die besten Körner zu picken und sich dafür immer und immer wieder Ärger einfängt. Und wie die unzertrennlichen Freundinnen Scharrlotte und Eilee sich wieder gemeinsam unter die Büsche zurückziehen.

Wenn ich Freunde besuche, bringe ich keine Blumen und Pralinen mehr mit, sondern Eier. Den Erzieherinnen und Erziehern im Kindergarten meiner Kinder habe ich vor Weihnachten eine Schachtel geschenkt und sie mit „Frohe (F)Eiertage“ beschriftet und damit für strahlende Augen gesorgt. Dank Feedback weiß ich, dass ich es mir nicht einbilde: Diese Eier schmecken besser als andere! Ist ja auch klar, denn in ihnen steckt viel mehr als nur Körnerfutter. In diesen Eiern steckt die Liebe zum Huhn, das Verständnis für seine Bedürfnisse und die Bereitschaft dazuzulernen – und aus diesen Zutaten ist, so glaube ich, das perfekte Frühstücksei gemach

Sarah Keshtkaran ist Autorin, Bloggerin, Mutter und Idealistin und lebt mit ihrer Familie in Hamburg. Mehr von ihr findet man unter @honigdusche, auf honigdusche.de oder in ihrem Podcast „Unterwegs zu uns“.

Symbolbild: Pixabay / Markus Distelrath

Die Stromer sind da? Doch wie grün sind E-Autos?

E-Mobilität wird immer mehr zum Alltag in Deutschland. Aber sind die Stromer auch der richtige Schritt Richtung Klimawende?

Um es gleich vorweg zu sagen: Am freundlichsten für die Natur ist und bleibt es, zu Fuß zu gehen. E-Autos wie Verbrenner verbrauchen Ressourcen und Energie und hinterlassen damit einen ökologischen Fußabdruck. Die Frage, um die es hier geht, lautet: Schaden Stromer der Umwelt weniger als Verbrenner?

Aktuellen Studien zufolge lautet die Antwort: Ja. Zwar sind die CO2-Ausstöße wegen der Batterie bei der Herstellung höher. Einer Studie des Fraunhofer Instituts von 2020 zufolge sind sie bei kleinen Fahrzeugen aber ab 18.000 Kilometern Laufleistung wieder ausgeglichen, bei großen Wagen und besonders CO2-intensiver Produktion kann es deutlich länger dauern. Ob die CO2-Bilanz noch besser wird, hängt vor allem von zukünftigen Entwicklungen ab. Zum Beispiel vom Strommix. Wenn der Akku zu Hause an einer Wallbox (siehe Kasten nächste Seite) mit eigenem Solar-Strom vom Dach geladen wird, ist das ziemlich nachhaltig. Wird er mit Kohlestrom betrieben, eher nicht. Wie gut wir die Energiewende hin zu erneuerbaren Energien hinkriegen, beeinflusst daher die Umweltbilanz von E-Autos stark.

Umweltfeind Batterien?

Zweifel an der Sinnhaftigkeit von E-Mobilität werfen regelmäßig die Batterien auf. Die Gewinnung notwendiger Rohstoffe wie Lithium und Kobalt ist problematisch. Im Kongo beispielsweise wird das Kobalt unter gefährlichen Bedingungen und zum Teil von Kindern abgebaut. In der südamerikanischen Atacama-Wüste leiden Natur und einheimische Bevölkerung stark unter dem Lithiumabbau, für den extrem viel Wasser nötig ist. Auch Arbeits- und Gesundheitsschutz der größtenteils noch in China gebauten Batterien sind oft mangelhaft. Bei alldem gilt es hinzugucken und faire Bedingungen in der gesamten Lieferkette zu fordern – das aber gilt ebenso für Akkus in Smartphones, Laptops und allen anderen Geräten. Nicht vergessen darf man bei der ganzen Rechnung, dass auch die Ölförderung seit Jahrzehnten schwerwiegende Eingriffe in die Natur bedeutet und durch Öl-Katastrophen Meerwasser verseucht und ungezählte Tiere getötet wurden. Im Oktober erst hat ein Tankschiff im Nord-Ostsee-Kanal einen 60 Kilometer langen Ölfilm verursacht. Öl wird zudem verbrannt und damit vernichtet, die Batterie-Rohstoffe aber werden nur verbaut, bleiben erhalten und können recycelt werden. 

Wiederaufbereitung

Weil es bislang noch wenige ausgediente E-Auto-Batterien gibt, wird ein Recycling-Kreislauf erst noch aufgebaut, gilt aber technisch als machbar. EU-Richtlinien sollen die Wiederaufbereitung in Zukunft fördern, sodass sie rentabel sein kann. Das schwedische Start-up Northvolt, 2016 von zwei ehemaligen Tesla-Managern gegründet und mitfinanziert auch von deutschen Unternehmen, baut derzeit nicht nur große Produktionskapazitäten für Batteriezellen in Europa auf, sondern plant auch die größte Recyclinganlage für Kobalt, Nickel, Mangan und Lithium. 

Das alles soll die problematischen Seiten der Batterieherstellung nicht kleinreden, aber zeigen: Es ist viel in Bewegung. Auch die Forschung schreitet voran. Tesla beispielsweise will schon bald Kobalt-reduzierte Hochenergie-Akkus bauen. Samsung setzt auf Feststoffbatterien ohne Lithium. Das Fraunhofer Institut hat eine Natrium-Nickelchlorid-Batterie aus heimischen Rohstoffen wie Tonerde und Kochsalz entwickelt. Weltweit forschen viele Unternehmen und Einrichtungen an alternativen Akku-Konzepten.

Zweites Leben

Derweil hat man festgestellt, dass die E-Auto-Batterien länger halten als anfangs erwartet: Nach manchen Erfahrungen bis zu zwölf, nach anderen bis zu 18 Jahre. Auch danach müssen sie nicht gleich verschrottet werden, sondern können noch als stationäre Stromspeicher für erneuerbare Energien dienen. In Leipzig etwa nutzt BMW bereits einen solchen Speicher aus etwa 700 Batterien. Im Stadion von Ajax Amsterdam werden mithilfe von knapp 600 alten Auto-Akkus Fußballspiele beleuchtet. Recycling und die großflächige Weiternutzung der Akkus sind noch Zukunftsmusik, doch die Chancen stehen gut, dass der Ressourcenverbrauch weiter sinken wird.

Größer als bei Verbrennern ist laut einer Studie des Bundesumweltministeriums von 2019 bei E-Autos das Problem von gesundheitsgefährdendem Feinstaub, der bei der Motorproduktion entsteht. Sowohl der Einsatz von Filtern in den Produktionsanlagen als auch von alternativen Materialien im Elektromotor sind in Zukunft denkbar. Hinzukommt der Feinstaub durch Reifenabrieb, der wegen des batteriebedingten höheren Gewichts bei Elektroautos größer ist. Sollten nächste Batterie-Generationen leichter werden, verringert sich das Problem. Und es hilft natürlich insgesamt, wenn statt Riesen-SUV möglichst kleine Autos mit wenig Gewicht und schmaleren Reifen gefahren werden. 

Weitere Entwicklung

Die E-Mobilität ist angekommen – und gleichzeitig erleben wir auch aktuell nur einen Zwischenstand in der Entwicklung. Parallel wird an alternativen Kraftstoffen und Brennstoffzellen auf Wasserstoffbasis geforscht. Für die Herstellung synthetischer Kraftstoffe beispielsweise wird der Luft CO2 entzogen, bevor es bei der Verbrennung wieder freigesetzt wird, sodass ein Kreislauf entsteht. 

Welche Durchbrüche in Zukunft erzielt werden und welche Antriebe sich durchsetzen, muss sich zeigen. Manches können wir selbst tun: uns in der Politik für die Energiewende starkmachen, bei Herstellern auf CO2-neutrale Produktion und faire Lieferketten drängen und nicht zuletzt unser Fahrverhalten anpassen. Statt weiterhin auf Individualverkehr zu setzen, ist es im Hinblick aufs Klima weitaus schlauer, Gedanken und Ressourcen in alternative Transportkonzepte zu stecken und beispielsweise öffentliche Verkehrsmittel, Sammeltaxi- und Radwege-Systeme stärker auszubauen. Wer nicht aufs Auto verzichten kann, fährt aber auf die gesamte Nutzungsdauer gerechnet mit Stromern schon jetzt nachhaltiger als mit Verbrennern.

Text: Anja Schäfer