Die Jurte von innen, Foto: Pirmin Bertle

Pirmin lebt mit seiner Familie in einer Jurte

Pirmin Bertle hat sich wegen des besonderen Lichts in Jurten verliebt. Die Wohnung ist günstig – aber auch ein Graubereich.

Das türkische Wort yurt bedeutet Heim. Traditionell leben zentralasiatische Nomadenvölker in solchen schnell auf- und abbaubaren Zelten mit festem Gestell. Hierzulande bilden Holzgitter das Gerüst der runden Wohnjurten. Baumwollstoffe und Filz sorgen für eine gute Dämmung und Gemütlichkeit. Die Inneneinrichtung steht der einer traditionellen Wohnung in nichts nach.

Pirmin Bertle hat sich mit seiner Familie in das Leben in einer solchen Jurte verliebt. Der Profi-Kletterer hatte schon unter freiem Himmel, in Zelten und Wohnwagen in ganz Europa und in einem Bus in Südamerika gelebt, als er mit Frau und Kind das erste Mal in einem Jurtendorf übernachtete – und so begeistert war, dass sie als Familie gleich die letzte vorhandene Jurte kauften, aufbauten und dort einzogen.

30-mal günstiger als ein Haus

Nach einem Jahr waren es schon drei Jurten, jede fünf Meter im Durchmesser und von Pirmin selbst innerhalb von zwei Monaten aufgebaut. Jurten seien 30-mal günstiger als ein normales Haus, sagt Pirmin, dafür mit „theoretisch vielen rechtlich-gesellschaftlichen Hürden“ belegt. Sie spekulierten auf Duldung, mieteten auf einem größeren Hof ein Stück Land und stellten ihre Jurten dort auf.

Gegebenenfalls kann eine Jurte als sehr großes Zelt angesehen werden und gilt dann laut Bauordnung als „fliegender Bau“, also als architektonische Anlage, die an verschiedenen Orten mehrfach und zeitlich befristet aufgestellt und wieder abgebaut werden kann. Doch vor allem, wenn man eine größere Jurte als dauerhaften Hauptwohnsitz an einem Ort nutzen will, ist rechtlich eine Baugenehmigung nötig. Oft befindet sich die Nutzung in einer rechtlichen Grauzone.

Holz hacken im Schnee

Das Leben in einer Jurte hat seine Eigenheiten. Neben dem besonderen Licht sind es für Pirmin vor allem die „Nähe zum Himmel, zur Erde, zu den Pflanzen und Tieren, die mit uns diesen Ort teilen, die Leichtigkeit und Authentizität“, die diese Wohnform ausmachen. Und auch die damit verbundene Unmittelbarkeit schätzt er: Holz hacken im Schnee, um es warm zu haben. Tomaten mit eigenem Hühnermist düngen, um sie zu essen. „Das ist eine Kreislaufwirtschaft im Kleinen mit einem Heizbedarf von einem Fünftel, einem Strombedarf von einem Zehntel und einem Wasserbedarf von einem 25stel im Vergleich zum deutschen Durchschnittshaushalt“, erklärt Pirmin.

Auch die Anschaffungskosten für Jurten sind im Vergleich geradezu verschwindend gering: Laut Pirmin kosten wintertaugliche Jurten aus hochwertigen Materialien und mit viel Licht circa 3000 Euro pro Meter Durchmesser, wobei etwa ein Drittel der Kosten auf das Material entfällt. Komfortablere Wohnjurten mit Sanitärmodul und Heizung sind bereits für 10.000 bis 20.000 Euro zu haben.

Lebensqualität ist unübertroffen

Bereut hat Pirmin die Wahl seiner Behausung nie. Doch vor einem knappen Jahr beendete der Vermieter des alten Stellplatzes den Vertrag und Pirmins Jurten mussten weichen. Seitdem teilen er und seine Familie sich mit anderen ein Haus: Zehn Erwachsene und fünf Kinder leben hier zusammen.

Aufgeben will er das Jurtenleben aber nicht: Demnächst sollen wieder sechs Stück davon im Garten stehen, denn „die Lebensqualität ist in Jurten einfach unübertroffen.“ Pirmin plant, ein Unternehmen für den Jurtenbau zu gründen, um „die Idee des leichten Lebens“ zu verbreiten, wie er sagt, und natürlich: „Um mehr Menschen in den Genuss eines Rundzeltes zu bringen.“

Von Lisa-Maria Mehrkens