Nachhaltig wohnen? Experte erklärt, wie das gelingt

Photovoltaik, Wärmepumpe, Sanieren – beim nachhaltigen Wohnen gibt es viel Gestaltungspotenzial. Jens Schubert, Experte beim Umweltbundesamt, erklärt die Aufgaben und Möglichkeiten, und was schon gut funktioniert.

Herr Schubert, was bedeutet heutzutage nachhaltiges Wohnen?

Jens Schuberg: Tatsächlich eine gute Frage, denn die Auswirkungen der Nichtnachhaltigkeit sehen wir nicht direkt und nehmen sie kaum wahr. Nachhaltiges Wohnen bedeutet, dass die negativen Folgen für Umwelt und Klima möglichst gering sind. Vor allem mit dem Interesse, dem Klimawandel entgegenzuwirken. Es geht auch darum, die Schadstoffe in der Luft gering zu halten und weniger Fläche zu nutzen. Und wenn man größer denkt, gehört natürlich auch der Verkehr am Wohnort dazu.

Solarenergie nutzen

Bei nachhaltigem Wohnen ist Solar und Photovoltaik ein großes Thema – wie steht es um den Ausbau bei Wohngebäuden? Wo stockt gegebenenfalls der Ausbau?

Der Ausbau der Photovoltaik geht weiter voran. Das ist erstmal eine gute Nachricht. Bei den klassischen Kleinanlagen, die einen Großteil des Daches eines Einfamilienhauses bedecken, sehen wir allerdings in den letzten Jahren sinkende Zahlen. Zugenommen hat jedoch der Ausbau der sogenannten Balkonanlagen. Diese Kleinstanlagen sind natürlich einfacher zu betreiben, weil keine Einspeisevergütung beantragt werden muss. Ein nachvollziehbarer Effekt, allerdings brauchen wir letztlich die Photovoltaik auf den Dachflächen für die Energiewende. Es gibt also noch ein großes Potenzial – gerade auch bei Freiflächen oder Mehrfamilienhäusern. Es gibt Bewegung, doch es dürfte gerne noch mehr werden.

Sie sprechen die Balkonanlagen an. Wem empfehlen Sie denn die Nutzung und wo liegen die Vorteile?

Eine Empfehlung spreche ich für alle aus, die einen ausreichend sonnigen Balkon zur Verfügung haben – auch für Mieterinnen und Mieter. Die Anlage bezeichne ich gerne als Einstiegselement in Klimaschutzmaßnahmen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Anlagen sind sehr niederschwellig, die Kosten sind relativ gering und sie sind einfach anzubringen und zu betreiben. Viele merken dann: So schlimm ist das mit dem Klimaschutz ja gar nicht, sondern es hat auch Vorteile. Es kann ein Anfang sein und Nutzerinnen und Nutzer können schauen, ob sie mit einer größeren Photovoltaikanlage weitermachen.

Was muss Politik aus Sicht des Umweltbundesamtes tun, damit Solar und Photovoltaik noch stärker ausgebaut werden?

Generell gilt: Es braucht stabile, zielführende, planbare und verlässliche Rahmenbedingungen. Bei der Photovoltaik sind wir hier auf einem guten Weg. Sicher ist aber auch, dass es hier noch Vereinfachungen braucht. Grundlegenden Handlungsbedarf gibt es im Gebäudebereich, womit wir beim Thema Heizen wären.

Wärmepumpe – besser als ihr Ruf

Heizen – ein gutes Stichwort: Welche nachhaltigen Heizmöglichkeiten gibt es und welche empfehlen Sie?

Im Wesentlichen kristallisieren sich zwei Möglichkeiten heraus. Erstens: Bei größeren Gebäuden in zentralen Bereichen etwa die Fern- und Nahwärme. Hier stehen die Wärmenetzbetreiber in der Verantwortung. Zweitens: Die vielversprechendste Technik ist die Wärmepumpe. Besonders weil hier die Energieeffizienz und das Entlastungspotenzial stark zu erkennen sind.

Es gibt weitere Möglichkeiten, doch sie haben immer Nachteile. Etwa Wasserstoff, Biogas, Bioöl oder auch das Heizen mit Holz. Die Menge an Holz zum Verheizen ist begrenzt und wegen der Luftschadstoffe sind die Vorteile für die Umwelt gering.

Sie sagen, Heizen mit Holz sollte vermieden werden. Was ist zu beachten, wenn Privatpersonen es doch tun?

Wenn Holz im Einsatz ist, sollte man möglichst sparsam und emissionsarm heizen. Beim Heizkessel können Nutzerinnen und Nutzer einen auswählen, der möglichst wenig Emissionen verursacht. Besonders ist auf einen Feinstaubfilter oder einen Elektrofilter zu achten, um die Feinstaubpartikel abzuscheiden. Auch beim Kaminofen sollte es darum gehen, Emissionen zu vermeiden. Wichtig ist es, trockenes Holz zu verwenden und die Anleitung des Herstellers auch wirklich zu lesen und zu befolgen.

Bei der Wärmepumpe gibt es verschiedene Mythen und so werden aktuell weniger Geräte installiert. Hat die Wärmepumpe „nur“ ein Imageproblem oder ist das Misstrauen berechtigt?

Das Problem war und ist die Diskussion um die Wärmepumpe. Die Technik an sich funktioniert gut – auch in (unsanierten) Bestandsgebäuden. Heißt: Man muss nicht erst eine Vollsanierung starten, bis man über eine Wärmepumpe nachdenken kann. Aus unserer Sicht ist es wichtig, Aufklärung zu leisten. Viele Menschen sind nicht auf dem neusten Stand. Wir vom Umweltbundesamt haben beispielsweise ein Portal eingerichtet, auf dem wir Beispiele sammeln, wie Nutzerinnen und Nutzer ihre Bestandsgebäude mit einer Wärmepumpe umgerüstet haben. Es sind einige spannende Erfahrungen dabei. Grundsätzlich sieht man: Man kann zufrieden und glücklich mit der Wärmepumpe ein Bestandsgebäude heizen.

Wärmepumpe, Photovoltaik und mehr – es gibt Möglichkeiten, die Techniken zu vernetzen. Liegen darin Vorteile?

Ja, und diese Vernetzung sollten wir verstärken. Die Kombination aus Wärmepumpe und Photovoltaik hat zum Beispiel den Vorteil, dass man mit der Photovoltaikanlage günstigeren Strom produzieren kann, als man ihn einkaufen kann. Dies wiederum verbessert auch die Wirtschaftlichkeit der Wärmepumpe. Das ist eine ganz wertvolle Synergie – auch im Bezug auf die Stabilität im Netzbetrieb.

Politik im Fokus

Wie steht es um die Wärmewende? Das staatliche Ziel lautet, dass Heizen 2045 klimaneutral sein soll – ist das realistisch?

Beim Heizen ist es unser Glück, dass wir ja noch 20 Jahre haben und bis dahin so gut wie jede Heizung noch mal ausgetauscht werden muss. Heißt, wir haben da bei jeder Heizung bis 2045 zumindest eine Gelegenheit. Das heißt aber auch, dass wir diese Gelegenheit nutzen müssen. Wer jetzt noch auf einen Gas- oder Ölkessel setzt und einbaut, läuft Gefahr, die vorzeitig ausbauen zu müssen – Investitionen gehen verloren. Das muss man sich vor Augen halten.

Wo sollten politische Akteure beim Thema Heizen handeln?

Auch hier sind die planbaren Rahmbedingungen wichtig, auf die sich die Gebäudeeigentümer bei ihren Investitionen verlassen müssen. Das betrifft auch das ungeliebte Ordnungsrecht für neue Heizungen oder auch Förderungen. Die Zusagen müssen über einen langen Zeitraum gelten. Die Gas- und Ölpreise werden durch den CO2-Preis steigen. Das muss die Politik aktiv kommunizieren. Alle, die an fossilen Techniken hängen, werden das finanziell merken. Es kann darauf hinauslaufen, dass sich die Gas- und Ölpreise gegenüber dem heutigen Niveau verdoppeln – und zwar dauerhaft. Hier sollten die Akteure vorbeugen und nachhaltige Heiztechniken fördern. Nebenbei können so auch Klimaziele erreicht werden.

Was ist da zu beachten, wenn man einen Neubau nachhaltig gestalten möchte?

Die erste Frage lautet: Muss es wirklich ein Neubau auf der grünen Wiese sein? Sicher ein verlockendes Ziel, was Selbstständigkeit und Freiheit betrifft. Aber hier geht viel Fläche verloren. Es gibt einige Alternativen: Etwa ein bestehendes Gebäude, was man sanieren kann. Oder indem man eine Baulücke füllt – dann ist man zumindest nicht auf der grünen Wiese. Bestehende Gebäude können auch aufstockt werden – etwa mit Holzbau.

Worauf künftige Eigentümer auch achten können, ist, dass das Gebäude recht flexibel genutzt werden kann. Beim klassischen Einfamilienhaus ist es oft so, dass viele Zimmer leer stehen, wenn die Kinder ausgezogen sind. Eine Idee ist: Das Gebäude so zu planen, dass Eigentümer, wenn die Kinder ausgezogen sind, eine Einliegerwohnung im Gebäude integriert – die man dann vermieten kann. Und beim Neubau sollten Interessierte natürlich auch auf nachhaltige Baustoffe achten, die dann eine bessere Energiebilanz haben. Hier ist Holz wieder eine gute Alternative.

Genau hinsehen lohnt sich

Gebäude sollten immer wieder saniert werden – auch energetisch. Wie kann man sicherstellen, dass dies nachhaltig geschieht?

Es gibt verschiedene Hilfsmittel, etwa den Heizspiegel des Portals „Co2online“. Dieser zeigt grundlegende Energieabbildungen und hilft, die Größenordnung der Sanierung einzuordnen. Weitere Online-Tools zeigen, wo Einsparpotenziale liegen. Und es gibt natürlich ein paar einfache Dinge, die jede und jeder selbst tun kann: Die Fenster richtig abdichten, die oberste Geschossdecke oder die Kellerdecke dämmen. Eine gute Dämmung kann den Wärmeverlust sogar um die Hälfte verringern. Eine professionelle Energieberatung mit Sanierungsfahrplan wiederum kann zeigen, wo Langzeitaufgaben liegen – nicht alles muss sofort gemacht werden.

Wie sieht für sie im optimalen Fall nachhaltiges Wohnen aus?

Im Idealfall sollte ein Gebäude natürlich einen niedrigen Energieverbrauch haben. Beheizt wird das Gebäude mit erneuerbarer Energie, also mit einer Wärmepumpe oder über ein lokales Wärmenetz. Auf dem Dach findet sich eine Photovoltaikanlage, sodass der Strom nahezu erneuerbar hergestellt wird. Beim Leben geht’s natürlich weiter: Effiziente Haushaltsgeräte, die möglichst lange genutzt werden, sorgen für einen geringen Energieverbrauch. Und bei der Mobilität setze ich auf umweltfreundliche Verkehrsmittel. Sie sehen: Nachhaltiges Wohnen ist möglich und keine Utopie.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Johannes Schwarz, Leiter der andersLEBEN-Redaktion.